Lieben: Roman (German Edition)
auszubreiten. Vanja blies nicht mehr in ihre Blockflöte, sondern saß ganz still und schaute ins Leere. Ich drehte mich um und blickte aus dem Fenster. Die Schneekörner, die unten durch die Straße wehten, wo das Licht der baumelnden Laternen sie auffing, die oberhalb jedoch unsichtbar blieben, bis sie mit ihrem gehauchten, kaum hörbaren Klopfen das Fenster trafen. Die Tür zum US VIDEO, die laufend aufging und wieder zufiel. Die Autos, die reguliert von einer für mich unsichtbaren Ampelkreuzung in Intervallen vorbeifuhren. Die Fenster in den Wohnungen auf der anderen Seite, die so weit entfernt lagen, dass die Bewohner dort nur als vage Schemen im gedämpften Licht der Fensterflächen sichtbar waren.
Ich wandte mich wieder dem Zimmer zu.
»Bist du fertig?«, sagte ich zu Vanja und begegnete ihrem Blick. Sie lächelte. Ich packte sie unter den Armen und warf sie aufs Bett. Sie lachte.
»Jetzt muss ich dir eine neue Windel machen«, sagte ich. »Da ist es wichtig, dass du ganz still liegst. Verstanden?«
Ich hob sie hoch und warf sie noch einmal ab.
»Verstehst du das, du kleiner Troll?«
Sie lachte so, dass sie kaum noch Luft bekam. Ich zog ihr die Hose aus, und sie drehte sich herum und kroch, so schnell sie konnte, über das Bett. Ich packte ihren Fußknöchel und zog sie zurück.
»Du musst still liegen, verstehst du«, sagte ich, und für einen Moment schien es, als verstünde sie mich wirklich, denn sie lag vollkommen still und sah mich mit ihren runden Augen an. Mit der einen Hand hob ich ihre Beine an, mit der anderen löste ich die Klebestreifen und zog ihr die Windel aus. Dann aber versuchte sie, sich zu befreien, wand sich, und ihr Körper bildete, da ich sie festhielt, plötzlich einen Bogen wie bei einem Epileptiker.
»Nein, nein, nein«, sagte ich und warf sie wieder hin. Sie lachte, ich zog, so schnell ich konnte, ein paar feuchte Tücher vom Stapel, sie warf sich erneut herum, ich presste sie herab und wischte sie ab, dabei durch die Nase atmend, und versuchte den Ärger zu ignorieren, der inzwischen in mir brodelte. Ich hatte vergessen, die volle Windel wegzulegen, und sie trat mit dem ganzen Fuß hinein. Ich stieß sie weg und wischte ihren Fuß eher halbherzig ab, da ich wusste, dass ich hier mit feuchten Tüchern nicht mehr weiterkam. Also hob ich sie hoch und trug sie ins Bad, wo ich, sie zappelnd unter dem Arm haltend, den Duschkopf aus der Halterung hob, Wasser laufen ließ, die richtige Wärme am Handrücken einstellte und vorsichtig ihren Unterkörper abduschte, während sie versuchte, die gelben Enden des Duschvorhangs zu fassen. Als das erledigt war, trocknete ich sie mit einem Handtuch ab und zog ihr, nach Abwehr von zwei weiteren Fluchtversuchen, eine neue Windel an. Dann galt es, die gebrauchte zusammenzukleben, in eine Plastiktüte zu legen, diese zuzubinden und vor die Wohnungstür zu werfen.
Linda blätterte in der Zeitung. Vanja knallte einen der Bauklötze auf den Fußboden, die sie zu ihrem ersten Geburtstag von Öllegård bekommen hatte. Ich legte mich mit den Armen unter dem Kopf aufs Bett. Im nächsten Moment donnerte es in den Leitungen.
»Beachte sie gar nicht«, sagte Linda. »Lass Vanja spielen, wie sie will.«
Aber das konnte ich nicht. Ich stand auf, ging zu Vanja und nahm ihr den Klotz ab. Reichte ihr stattdessen ein Stofflamm. Sie warf es von sich. Selbst als ich mit einer albernen Stimme sprach und das Lamm vor und zurück laufen ließ, zeigte sie kein Interesse. Sie wollte den Klotz haben, was sie begehrte, war das Geräusch, wenn er auf das Parkett schlug. Dann sollte sie ihn eben haben. Sie holte zwei aus dem Kasten und fing an,
mit ihnen auf den Boden einzuhämmern. Eine Sekunde später donnerte es wieder in den Rohren. Was war das, stand sie etwa da unten und wartete ? Ich nahm einen der Klötze aus dem Kasten und hämmerte ihn mit voller Wucht gegen den Heizkörper. Vanja sah mich an und lachte. Im nächsten Moment hörte ich, dass in der Etage unter uns die Tür zugeschlagen wurde. Ich ging durchs Wohnzimmer in den Eingangsflur. Als es klingelte, öffnete ich die Tür mit einem Ruck. Die Russin sah mich wutentbrannt an. Ich trat einen Schritt hinaus, so dass ich nur wenige Zentimeter vor ihr stand.
»Was ZUM TEUFEL wollen Sie?«, schrie ich. »VERDAMMT NOCHMAL, was erlauben Sie sich eigentlich, hier hochzukommen? Ich will Sie hier nicht sehen. Haben Sie mich VERSTANDEN?«
Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie wich einen Schritt zurück und
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