Lieben: Roman (German Edition)
mich an. Ich nickte ihm zu, schloss den Verschlag auf und ging wieder, nachdem ich geholt hatte, weshalb ich gekommen war. Natürlich hätte man eigentlich, allein schon wegen der Feuergefahr, die Polizei rufen sollen, aber sie störten mich doch nicht, also ließ ich sie in Ruhe.
Ich drückte die Zigarette an der Wand aus und nahm sie brav zu dem großen Aschenbecher mit, wobei ich dachte, dass ich wirklich bald mit dem Rauchen aufhören musste, mittlerweile war es, als würde meine Lunge brennen. Und wie viele Jahre wachte ich mittlerweile Morgen für Morgen mit einem dick verschleimten Hals auf? Aber heute nicht, heute nie und nimmer, sagte ich halblaut zu mir selbst, wie ich es mir in letzter Zeit angewöhnt hatte, und kehrte ins Haus zurück.
Während ich die Wohnung putzte, hörte ich die ganze Zeit über Linda und Vanja; sie las ihr vor, sie suchte Spielsachen für sie heraus, die meistens immer und immer wieder auf den Boden geworfen wurden, weshalb ich mehrfach kurz davor
war einzugreifen, aber unsere Nachbarin war offenbar nicht zu Hause, so dass ich es jedes Mal unterließ; sie sang Vanja Lieder vor, sie aß eine Zwischenmahlzeit mit ihr. Ab und zu kamen die beiden herein und sahen mich an, Vanja auf Lindas Arm, ab und zu versuchte Linda, Zeitung zu lesen, während Vanja alleine spielte, aber es dauerte nur wenige Minuten, bis sie erneut Lindas volle Aufmerksamkeit einforderte. Die Linda ihr jedes Mal schenkte! Aber ich musste vorsichtig damit sein, hineinzugehen und meine Meinung zu sagen, denn das wurde schnell als Kritik aufgefasst. Ein zweites Kind zu bekommen, würde diese starke Dynamik vielleicht auflösen. Ein drittes würde es garantiert tun.
Als ich fertig war, setzte ich mich mit meinem Stapel Zeitungen auf die Couch. Nun musste nur noch die Tischdecke gebügelt, der Tisch gedeckt und gekocht werden. Aber es war ein einfaches Gericht, für dessen Zubereitung man kaum mehr als eine halbe Stunde brauchte, ich hatte noch viel Zeit. Draußen dämmerte es schon. In der Wohnung über uns wurde Gitarre gespielt, das war der bärtige Vierzigjährige, der seine Bluesstücke übte.
Linda stand im Türrahmen.
»Übernimmst du Vanja?«, sagte sie. »Ich möchte auch mal Pause machen.«
»Ich habe mich gerade erst hingesetzt«, sagte ich. »Wie dir vielleicht aufgefallen ist, habe ich die ganze verdammte Wohnung geputzt.«
»Und ich habe mich um Vanja gekümmert«, erwiderte sie. »Glaubst du, das ist weniger anstrengend?«
Ja, das glaubte ich. Ich konnte Vanja alleine versorgen und die Wohnung putzen. Das ging zwar nicht ohne ein paar Tränen, aber es klappte. Diese Richtung konnte ich jedoch nicht einschlagen, wenn ich nicht einen richtigen Streit vom Zaun brechen wollte.
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte ich. »Aber ich kümmere mich schon die ganze Woche um Vanja.«
»Das tue ich auch«, sagte sie. »Morgens und nachmittags.«
»Ach, nun komm schon«, sagte ich. »Ich bin mit ihr zu Hause.«
»Und was hast du gemacht, als ich mit ihr zu Hause war? Hast du sie da vielleicht morgens und abends genommen? Und bin ich vielleicht jedes Mal ins Café gegangen, wenn du nach Hause kamst, wie du es jetzt tust?«
»Okay«, sagte ich. »Ich nehme sie. Setz dich.«
»Nicht, wenn du so eine Einstellung dazu hast. Dann nehme ich sie selbst.«
»Was spielt es für eine Rolle, welche Einstellung ich habe? Ich nehme sie, du machst eine Pause. Ganz einfach.«
»Außerdem machst du die ganze Zeit Pausen, wenn du eine rauchen gehst. Das tue ich nicht. Hast du daran schon einmal gedacht?«
»Dann wirst du wohl anfangen müssen zu rauchen«, antwortete ich.
»Vielleicht tue ich das«, sagte sie.
Ich ging, ohne sie anzusehen, an ihr vorbei zu Vanja, die auf dem Fußboden saß und in eine Blockflöte blies, die sie mit einer Hand festhielt, während sie die andere auf und ab bewegte. Ich stellte mich ans Fenster und verschränkte die Arme vor der Brust. Jedenfalls würde ich Vanja nicht jeden noch so kleinen Wunsch erfüllen. Ein paar Minuten ohne Beschäftigung musste sie genauso aushalten können wie andere Kinder auch.
Ich hörte Linda im Wohnzimmer in einer Zeitung blättern.
Sollte ich ihr sagen, dass sie die Tischdecke bügeln, den Tisch decken und kochen musste? Oder einfach überrascht sagen, dass dies jetzt ihre Aufgabe war, wenn sie kam, um Vanja wieder zu übernehmen? Denn wir hatten doch getauscht, hatten wir das nicht?
Im selben Moment begann sich ein beißender, fauliger Geruch im Raum
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