Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
Vom Netzwerk:
an den Weihnachtstagen hintereinander anschauten, wir machten lange Spaziergänge in den festlich stillen Straßen, warteten, warteten. Die Russin vergaßen wir, über die gesamten Weihnachtstage existierte die Außenwelt nicht. Wir fuhren zu Lindas Mutter und verbrachten dort einige Tage, und als wir zurückkamen, begannen wir, den Silvesterabend vorzubereiten, an dem wir gemeinsam mit Geir und Christina und Anders und Helena essen wollten.
    Am Vormittag putzte ich die ganze Wohnung, ging die Zutaten für das Essen einkaufen, bügelte die große, weiße Tischdecke, zog den Esstisch aus und deckte ihn, putzte Silberbesteck und Kerzenständer, faltete Servietten und stellte Schüsseln mit Obst auf den Tisch, so dass es vor Bürgerlichkeit regelrecht glitzerte und funkelte, als gegen sieben die Gäste
eintrafen. Zunächst Anders und Helena mit ihrer Tochter. Helena und Linda hatten sich kennen gelernt, als Helena Schauspielunterricht bei Lindas Mutter nahm, und obwohl Helena sieben Jahre älter war als Linda, hatten die beiden einander gefunden. Anders und sie waren seit drei Jahren zusammen. Sie war Schauspielerin, er war … tja, eine Art Krimineller.
    Mit kälteroten Gesichtern standen sie im Treppenhaus und lächelten, als ich die Tür öffnete.
    »Hi, Alter!«, sagte Anders. Er trug eine braune Ledermütze mit Ohrenklappen, einen großen, blauen Anorak und schicke schwarze Schuhe. Elegant war er nicht, passte auf seltsame Art aber trotzdem zu Helena, die es mit ihrem weißen Mantel, den schwarzen Stiefeln und der weißen Pelzmütze definitiv war.
    Neben ihnen saß ihre Tochter im Kinderwagen und sah mich ernst an.
    »Hallo«, sagte ich und sah ihr in die Augen.
    In ihrem Gesicht rührte sich kein Muskel.
    »Kommt rein!«, sagte ich und wich ein paar Schritte zurück.
    »Können wir den Wagen mit in die Wohnung nehmen?«, sagte Helena.
    »Klar«, antwortete ich. »Meinst du, das geht? Oder soll ich die andere Tür auch noch aufmachen?«
    Während Helena den Wagen schob und ihn zwischen den Türpfosten in Position bugsierte, zog Anders im Eingangsflur Jacke und Mütze aus.
    »Wo steckt denn die Señorita?«, sagte er.
    »Sie ruht sich ein bisschen aus«, sagte ich.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja, ja.«
    »Gut!«, sagte er und rieb sich die Hände. »Scheiße, ist das kalt draußen!«
    Vor uns wurde das Mädchen durch die Tür geschoben, ihre Hände hielten fest den Griff des Wagens umklammert. Helena betätigte die Bremse und hob sie heraus, zog ihr die Mütze aus und öffnete den Reißverschluss des roten Overalls, während ihre Tochter regungslos auf dem Fußboden stand. Unter ihm trug sie ein dunkelblaues Kleidchen, eine weiße Strumpfhose und weiße Schuhe.
    Linda kam aus dem Schlafzimmer. Ihr Gesicht strahlte. Erst umarmte sie Helena fest, und dann standen die beiden lange da, die Arme umeinander gelegt, und sahen sich in die Augen.
    »Wie schön du bist!«, sagte Helena. »Wie machst du das bloß? Ich weiß noch, als ich im neunten Monat war …«
    »Das ist doch nur ein altes Umstandskleid«, erwiderte Linda.
    »Ja, aber an dir ist alles so schön!«
    Linda lächelte zufrieden, lehnte sich vor und umarmte Anders kurz.
    »Was für eine Tafel!«, sagte Helena, als wir ins Wohnzimmer kamen. »Wow!«
    Ich wusste nicht recht, wohin mit mir, so dass ich in die Küche ging, als wollte ich dort nach etwas schauen, während ich darauf wartete, dass im anderen Zimmer Ruhe einkehren würde. Im nächsten Moment klingelte es erneut.
    »Und?«, sagte Geir, als ich die Tür zum Flur öffnete. »Bist du fertig mit putzen?«
    »Ihr seid es?«, sagte ich. »Hatten wir nicht Montag gesagt? Wir wollen hier Silvester feiern, deshalb passt es gerade nicht so gut. Aber vielleicht finden wir ja doch noch ein Plätzchen für euch…«
    »Hallo, Karl Ove«, sagte Christina und umarmte mich. »Geht’s euch gut?«
    »Aber ja«, antwortete ich und trat ein wenig zurück, um ihnen Platz zu machen, gleichzeitig kam Linda in den Flur, um
die beiden zu begrüßen. Weitere Umarmungen, Jacken und Schuhe ausziehen, dann alle ins Wohnzimmer, wo die krabbelnde Tochter von Anders und Helena in den ersten Minuten ein dankbarer Blickfang war, bis sich die Situation etwas gesetzt hatte.
    »Wie ich sehe, feiert ihr noch Weihnachten«, sagte Anders und nickte zu unserem riesigen Weihnachtsbaum in der Zimmerecke hinüber.
    »Der hat achthundert Kronen gekostet«, erwiderte ich. »Solange Leben in ihm ist, bleibt er stehen. Wir werfen hier kein Geld zum

Weitere Kostenlose Bücher