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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Fenster hinaus.«
    Anders lachte.
    »Der Herr Direktor fängt an zu witzeln!«
    »Ich witzele die ganze Zeit«, erwiderte ich. »Ihr Schweden versteht nur nicht, was ich sage.«
    »Stimmt«, sagte er. »Anfangs habe ich jedenfalls nichts von dem verstanden, was du gesagt hast.«
    »Ihr habt euch dieses Jahr also einen Weihnachtsbaum für Neureiche zugelegt?«, sagte Geir, während Anders anfing, eine Art lustiges Möchtegernnorwegisch zu sprechen, wie man es häufig in Schweden hörte. Es bestand aus einer hohen Frequenz des Wortes »kjempe«, dem einen oder anderen »gutt«, was in schwedischen Ohren komisch klang, alles ausgesprochen in einer enthusiastischen Tonlage, bei der die Stimme am Ende jedes Satzes nach oben ging. Es hatte absolut nichts mit meinem Dialekt zu tun, den sie deshalb für »Neunorwegisch« hielten.
    »Das war keine Absicht«, sagte ich und grinste. »Ich gebe zu, dass ein Weihnachtsbaum von dieser Größe ein bisschen peinlich ist. Aber als wir ihn gekauft haben, sah er gar nicht so groß aus. Aber ich habe immer schon Probleme mit Proportionen gehabt.«
    »Weißt du eigentlich, was ›kjempe‹ bedeutet, Anders?«, sagte Linda.
    Er schüttelte den Kopf.
    »›Avis‹, weiß ich. Das heißt Zeitung Und ›gutt‹ heißt Junge. Und ›vindu‹ heißt Fenster.«
    »Es wird genauso benutzt wie bei uns ›super‹. ›Supergroß‹.«
    Dachte Linda, er hätte mich beleidigt?
    »Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, um zu verstehen, dass es genau gleich benutzt wird«, fuhr sie fort. »Es muss eine Menge Worte geben, die ich zu verstehen glaube, ohne es wirklich zu tun. Ich darf gar nicht darüber nachdenken, dass ich Sæterbakkens Buch vor zwei Jahren übersetzt habe. Damals konnte ich doch gar kein Norwegisch.«
    »Konnte Gilda Norwegisch?«, sagte Helena.
    »Sie, nein. Sie konnte noch weniger als ich. Aber ich habe mir das Buch kürzlich noch einmal angesehen, jedenfalls die ersten Seiten, und die Übersetzung schien ganz okay zu sein. Abgesehen von einem Wort. Ich werde rot, wenn ich nur daran denke. Ich habe ein Wort mit »Häuschen« übersetzt, das Wohnzimmer bedeutet … Also dass er in seinem Häuschen saß, als im Text stand, dass er im Wohnzimmer saß. Aber es hat keiner etwas gesagt.« Sie lachte.
    »Hat jemand Lust auf ein Glas Sekt?«, sagte ich.
    »Ich kann ihn holen gehen«, meinte Linda.
    Als sie zurückkam, stellte sie die fünf Gläser zusammen, zwirbelte den Metalldraht ab, der den Korken fixierte, hielt das Gesicht ein wenig abgewandt und die Augen zu Schlitzen verengt, als erwartete sie eine größere Explosion. Schließlich schoss der Korken in ihrer Hand mit einem feuchten Plopp heraus, und anschließend führte sie die Flasche, aus der Sekt herausquoll, über die Gläser.
    »Das hast du nicht zum ersten Mal gemacht«, meinte Anders.
    »Ich habe vor ewigen Zeiten mal in einem Restaurant gearbeitet«, sagte Linda. »Aber ausgerechnet das hier war etwas,
was ich nicht konnte. Ich habe überhaupt kein räumliches Sehen. Wenn ich die Gläser der Gäste füllen wollte, habe ich das immer auf gut Glück getan.«
    Sie richtete sich auf und reichte uns die weiter sprudelnden und blubbernden Gläser. Sich selbst schenkte sie eine alkoholfreie Variante ein.
    »Prost, und herzlich willkommen!«
    Wir stießen an. Als die Sektgläser geleert waren, ging ich in die Küche, um die Hummer vorzubereiten. Geir folgte mir und setzte sich an den Küchentisch.
    »Hummer«, sagte er. »Es ist wirklich unglaublich, wie schnell du dich in die schwedische Gesellschaft integriert hast. Da komme ich zu dir, um Silvester mit dir zu feiern, zwei Jahre nachdem du hergezogen bist, und du servierst das traditionelle Silvesteressen der Schweden.«
    »Damit stehe ich nun wirklich nicht allein«, sagte ich.
    »Nein, ich weiß«, sagte er und grinste. »Christina und ich haben einmal mexikanisches Weihnachten gefeiert, habe ich dir davon erzählt?«
    »Ja«, sagte ich und schnitt den ersten Hummer längs in zwei Teile, legte sie auf die Platte und wandte mich dem nächsten zu. Geir sprach über sein Manuskript. Ich hörte ihm mit einem Ohr zu. Aha?, sagte ich gelegentlich, um zu signalisieren, dass ich ihm zuhörte, obwohl ich mit den Gedanken woanders war. Über sein Manuskript konnte er nicht mit allen sprechen, so dass er nur hier und wenn ich hinausging, um eine zu rauchen, seine Chance gekommen sah. Er hatte über anderthalb Jahre hinweg eine erste Rohfassung geschrieben, die ich gelesen und kommentiert

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