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Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn

Titel: Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergio Bambaren
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durchliefen, minütlich änderten sich die Kurse und blinkten auf. Alle Männer trugen eine schicke Krawatte, genehmigten sich einen Drink oder arbeiteten wie ich an ihren portablen Computern.
    Doch etwas fiel mir unangenehm auf: Niemand redete. Alle waren so auf ihre Arbeit konzentriert, dass sie die anderen wahrscheinlich gar nicht wahrnahmen. Die müssen ja sehr beschäftigt sein und ganz wichtige Dinge tun, dachte ich und widmete mich wieder meinen Kalkulationen. Aber es ödete mich an, denn ich wusste ja, wie ich das Projekt vorstellen wollte. Also nahm ich eine Zeitschrift über Thailand und begann mit der ersten Erkundung dieses exotischen Landes.
    Ich war fasziniert von den Bildern: In Chiang Mai konnte man auf Elefanten durch den Dschungel reiten und wilde Tiger sehen. Phuket war ein Garten Eden im türkisblauen Meer, wo man das ganze Jahr über mit Mantas und Walhaien tauchen konnte. Ich wurde ganz aufgeregt und beschloss, eine Woche Urlaub anzuhängen und diese phantastischen Orte in Thailand zu besuchen, sobald ich meinen Auftrag erledigt hätte.
    Im nächsten Moment kam eine nette Dame auf mich zu: »Ihr Flugzeug steht bereit, Sie können nun an Bord gehen.« Natürlich stiegen wir als Letzte ein. Denn von den Passagieren der ersten Klasse kann man schließlich nicht erwarten, dass sie ihre Zeit beim Anstehen mit den einfachen Touristen verschwenden. Kaum an Bord, klappten auch schon wieder alle ihre elektronischen Geräte auf. Ein Flug von acht Stunden – viel Zeit, die nicht vergeudet werden darf! Die Dame neben mir war stark geschminkt und nippte an ihrem Champagner, der in einem Glas aus Bleikristall serviert wurde.
    Ich dachte damals wirklich, wir »schönen« Menschen in der ersten Klasse wären den anderen hinter den geschlossenen Vorhängen überlegen. Ich fühlte mich eine Zeit lang richtig wohl. Endlich hatte sich die harte Arbeit der vergangenen sechs Jahre ausgezahlt. Ich gehörte zur »Elite«, die nur das Beste gewöhnt war und meinte, mit Geld könne man alles kaufen. Sogar Glück. Na ja, vielleicht hatten sie tatsächlich recht, und ich würde es schon noch merken …
     
    Ich spielte drei Jahre lang Geschäftsmann. Ich besuchte die luxuriösesten Hotels und Restaurants und konnte mir alles leisten, was man für Geld bekommt.
    Ich schloss viele Verträge in den verschiedensten Ländern ab und zog mir den Neid meiner Kollegen zu. Außerdem hatte ich einen entscheidenden Vorteil, eine Sache, mit der sie manchmal nicht zurechtkamen: Ich hatte weder Angst vor Geld noch vor Großunternehmern.
    Ich möchte das etwas näher erklären: Einmal hatte ich einen Termin in Kuala Lumpur. Ich bereitete mich innerlich darauf vor, indem ich alle Informationen abrief, die ich über meinen Vertragspartner bekommen konnte, und erstellte meine Präsentation. Nachdem ich sie dann bei der Besprechung vorgestellt hatte, lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück und hörte zu. Ich war bei den Verhandlungen übrigens nie allein, immer hatte ich einen oder zwei Assistenten dabei. Es ging um Zahlen, und mitunter sprachen wir von Hunderten Millionen Dollar. Genau das machte meine Kollegen nervös, mit so großen Summen konnten sie nicht umgehen, das war zu
viel Geld. Darüber hinaus war der Magnat, den wir vor uns hatten, ein Experte in Geldverhandlungen und versuchte zusammen mit ein paar leitenden Angestellten den Preis zu drücken. Er war der Reiche, und wir waren nur Manager, Angestellte eines großen multinationalen Konzerns.
    Ich habe oft erlebt, dass diese Geschäftsleute dabei nach einem ganz bestimmten Muster vorgehen: Zuerst lassen sie dich spüren, wer der Boss ist und die Entscheidungen trifft. Dann versuchen sie dir geschickt klarzumachen, dass sie den Deal mit einer anderen Firma machen werden, solltest du nicht auf ihr Angebot eingehen, und am Ende versuchen sie Druck auszuüben und dich kleinzukriegen. Und bei den meisten Leuten funktioniert das auch. Ich habe gesehen, wie einige meiner Kollegen allein schon bei dem Gedanken, der Vertrag könne platzen, Schweißausbrüche bekamen. Ihre Beine zitterten beim Anblick der Zahlen mit den vielen Nullen und dem Dollarzeichen davor. Damit kamen sie nicht zurecht.
    Bei mir war das ganz anders. Ich saß einfach nur da und hörte dem Mann zu. Aber im Kopf machte ich mir ein Bild von seinem Leben: Er ist Mitte fünfzig oder um die sechzig, gleich wird er seine hübsche zwanzigjährige Sekretärin bitten, noch Kaffee oder Tee zu bringen. Er trägt eine

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