Lieber Dylan
stinkt. Sie scheint sich auch nie die Haare zu waschen, denn die sind so fettig, dass sie in dunklen Klumpen zusammenkleben, und dazwischen kann man ihre schneeweiße Kopfhaut durchschimmern sehen. Genauso sah ich heute Morgen aus, als ich ins Bad ging und in den Spiegel guckte. Aber ich habe mir keine Sorgen gemacht, denn wenn ich das Öl erst einmal ausgewaschen hätte, würde ich die glänzendsten Haare in ganz Ruislip haben. Ach Nan, wenn das doch nur wahr gewesen wäre. Die traurige Wahrheit ist aber, dass ich die fettigsten Haare von ganz Ruislip (Michelle Price eingeschlossen) behielt, denn unser Wasser funktionierte nicht! In unserer Straße war in der Nacht ein Hauptrohr geplatzt, und die Wasserwerke mussten die Wasserzufuhr für die gesamte Straße sperren. Natürlich wusste ich das alles am Anfang noch nicht. Ich wusste nur, dass ich unter die Dusche ging und das Wasser aufdrehte und nichts passierte. Zuerst habe ich gedacht, die Dusche ist vielleicht kaputt, also bin ich zum Waschbecken gegangen und dachte, ich könnte mir die Haare mit einem Krug ausspülen, wie Mum es macht, wenn sie Michaela die Haare wäscht, doch nein. Ich habe erst den Heißwasser-, dann den Kaltwasserhahn aufgedreht, aber noch immer kam kein Tropfen heraus. Hast du schon einmal einen Moment totaler, völliger Panik erlebt, in dem du einfach nur sterben oder eine unterirdische Höhle in einem tiefen dunklen Wald finden willst, in der du dich für alle Ewigkeit verstecken kannst? Nun, das war einer dieser Momente. Ich stand da und starrte in den Spiegel, auf mein bleiches, zu Tode erschrockenes Gesicht, eingerahmt von dunklen, fettigen Haarklumpen, und einzelne Worte hallten in meinem Kopf wider, als würde der König der Peinlichkeit darin stehen und in ein Megafon brüllen: GENAU WIE MICHELLE PRICE! PROBEN! JESSICA UND DIE BEIDEN KATES! DIE GANZEN ANDEREN JUGENDLICHEN! JAMIE PHELPS! DRED! DEBBIE! SCHANDE! STIRB! OH! MEIN! GOTT!
Irgendwie habe ich es geschafft, Mum aus dem Weg zu gehen, während sie sich für die Arbeit fertig machte, und dabei durchwühlte ich mein Zimmer nach irgendwas, das ich mir um den Kopf wickeln konnte, um mein ekliges Haar zu verstecken. Letzten Endes konnte ich nichts anderes finden als eine verbeulte alte Kappe mit Bärchen vorne drauf, die ich schon habe, seit ich sieben bin. Kannst du dir vorstellen, wie dämlich das aussah? Aber was hätte ich denn machen sollen? Entweder wie ein unreifes Kleinkind aussehen, das Bärchen liebte, oder wie eine fettige alte Flohdecke – ich hatte keine Wahl. Natürlich fand Michaela die Kappe toll und begann zu jammern, dass sie sie aufsetzen wollte. Also musste ich sie mit dem Versprechen, ihr noch mehr Gummibärchen zu kaufen, bestechen. Und dann, gerade als Mum zur Arbeit gegangen war und ich den Mut aufgebracht hatte, einen Fuß vor die Tür zu setzen, parkte der Ton-Zerstörer mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter sein Taxi ein. Warum sagt man das eigentlich? Ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter? Zunächst mal ist ja Regen durchsichtig, wie kann also ein Gesicht so aussehen? Und Regen macht ja ein Geräusch, aber wenn jemand ein Gesicht wie Regen hat, prasselt und trommelt es nicht, oder? Es sieht einfach nur echt böse aus. Und der Ton-Zerstörer sah echt böse aus. Eines der hinteren Fenster seines Taxis war eingeschlagen, und als er aus dem Auto stieg, sah ich, dass die Knöchel an seiner rechten Hand aufgeschürft waren und bluteten. Sobald er uns aus der Haustür treten sah, sagte er, wir sollten wieder reingehen, denn er wollte Frühstück haben. Und natürlich wollte er keinen Toast oder irgendetwas Einfaches, nein, es musste ein großes, gebratenes Frühstück sein. Und das kann ich dir sagen, das LETZTE, was ich an diesem Morgen sehen wollte, war noch mehr Speiseöl! Aber natürlich hatte ich keine Wahl. Ichwusste, ich musste tun, was immer er wollte. Während ich anfing, das Frühstück zu machen, ging er nach oben ins Bad, und ein paar Minuten später hörte ich ihn herumbrüllen. Dann gab es einen massiven Knall. Ich habe mich so erschrocken, dass mir der Schinken auf den Boden gefallen ist. Ich dachte, er musste einen Einbrecher entdeckt haben oder so was. Ich stellte den Herd aus und setzte Michaela auf die vordere Veranda, sodass sie schnell flüchten konnte, falls es notwendig war. Dann schlich ich mich so leise wie eine Maus nach oben, um herauszufinden, was da vor sich ging, ohne entdeckt zu werden, damit ich im Notfall die Polizei
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