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Lieber Dylan

Lieber Dylan

Titel: Lieber Dylan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Curham
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hinweg Jamie ansehen, und er sah geradewegs zurück und lächelte wieder sein träges Lächeln. Und dann wusste ich sicher, was er gemeint hatte, als er sagte: »Das bringt einen zum Nachdenken«, denn ich fühlte ein Kribbeln ganz unten in meinem Magen. Und mir wurde klar, egal wie schlimm die Dinge sind, es gibt immer einen Silberstreifen (oder in diesem Fall einen rosigen, goldenen). Man sieht einen schönen Himmel oder ein Lächeln, oder man hört ein schönes Lied, und dabei fühlt man sich lebendiger, als man es je für möglich gehalten hätte.
    Leider ist dann in der Mittagspause wieder alles schiefgelaufen. Jessica und die beiden Kates kamen sofort, als die Leseprobe beendet war, zu mir, und Jessica fing an, mich wegen der Kappe zu befragen. Ich hatte erwartet, dass Jessica nach ihrer Katastrophe mit den pink gefärbten Haaren neulich Verständnis haben würde, aber sie schüttelte nur wirklich langsam ihren Kopf und stieß einen massiven Seufzer aus, als wollte sie sagen: »Ach George, du bist so   – so total bekloppt.« Ich war ehrlich ziemlich erleichtert, als sie alle nach draußen gingen und mich mit Michaela allein ließen.
    Glücklicherweise machten wir an diesem Nachmittag ein bisschen eher Schluss, weil Debbie einen Arzttermin hatte. Ich habe nicht mal gewartet, um mit Jessica und den beiden Kates zusammen gehen zu können, ich war einfach nur müde und hatte die Nase voll.Ist es nicht komisch, wie zwei Tage hintereinander so völlig verschieden sein können? Gestern war ich so voller Energie, ich kam mir vor wie Michaelas Aufziehmaus, wenn sie so weit, wie es nur geht, aufgezogen ist und in alle Richtungen loszischt. Aber heute wollte ich einfach nur nach Hause kriechen und meinen Kopf unter der Bärchen-Kappe vor Elend hängen lassen. Um alles noch schlimmer zu machen, war Michaela wirklich mies drauf, weil sie sich zu Tode gelangweilt hatte, als sie leise sein musste, während wir stundenlang lasen. Ich musste den größten Teil der zwanzig Pfund vom Ton-Zerstörer für Geschenke für sie ausgeben, um es wiedergutzumachen, auch wenn ich mir furchtbar gern eine anständige Kappe gekauft hätte. Dann musste ich sie überreden, zu lügen und zu sagen, wir wären bei Jessica gewesen, um uns noch einmal High School Musical anzusehen. »Will aber nicht!«, schimpfte sie den ganzen Weg zurück durch den Park. Erst als ich anfing zu weinen, hörte sie endlich auf. Ich weine normalerweise nicht, ganz ehrlich, aber ich hatte solche Angst, sie würde dem Ton-Zerstörer von dem Theater-Workshop erzählen und ich würde eine Million Jahre lang Hausarrest bekommen. Ich konnte nicht anders, ich musste einfach heulen. Irgendwie bin ich aber froh darüber, denn dadurch habe ich Michaela dazu gebracht, wieder so niedlich zu sein wie sonst. Sie hat mich ganz fest gedrückt und mit ihren winzigen Fingern meine Tränen abgewischt, und dann hat sie gesagt: »Keine Sorgen machen, Georgie. Ich hab dich noch lieb. Und ich komm auch mit zu dem Workshop (nur spricht sie es ›Wortshop‹ aus), wenn du mir nur drei Tüten Gummibärchen kaufst.«
    Als wir schließlich in unserer Straße ankamen, wurde ich wieder total nervös. Wir wohnen an einem Wendekreis (in einer Sackgasse   – genau wie mein Leben, haha!) in der Form eines Dauerlutschers. Man geht das gerade Stück entlang (also den Stiel des Lutschers), und dann bildet die Straße einen Kreis mit etwas Grün und ein paar Bäumen in der Mitte, bis man dann irgendwann wieder zu dem Lutscherstiel kommt. Unser Haus steht ganz oben an dem Kreis, man kann es also nicht richtig sehen, bis man das Grün zur Hälfte umrundet hat. In unserer Straße passiert nie was. Wenn die Langeweile eine Hauptstadt hätte, dann wären all ihre Straßen so öde wie Dulverton Close. Heute aber wurde mir bei jedem Schritt, den ich machte, ein bisschen übler. Was, wenn der Ton-Zerstörer einen neuen Wutanfall bekommen und den Rest des Hauses auch zertrümmert hatte? Was, wenn er es komplett niedergebrannt hatte, weil er nicht unter die Dusche konnte? Als wir die Kurve erreichten, sah ich den Transporter von seinem Kumpel Darren in der Auffahrt, und hinten auf der Ladefläche lagen die Überreste von unserer alten Duschtür. Während wir weg waren, war Darren gekommen und hatte eine neue Duschkabine eingebaut. Der Ton-Zerstörer hatte auch das Fenster von seinem Taxi reparieren lassen. Es war, als wäre nichts von alledem jemals passiert, und als Mum nach Hause kam, wurde der Ton-Zerstörer

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