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Lieber Feind

Lieber Feind

Titel: Lieber Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Webster
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auch nicht mit einem Wimperzucken auf unseren unglücklichen Zusammenstoß Bezug genommen. Wir haben uns ausschließlich über Ichthyolsalbe unterhalten, mit der man einen Ausschlag von Kinderköpfen wegbekommen kann. Und dann ging das Gespräch, weil Sadie Kate anwesend war, auf Katzen über. Des Doktors Malteserkatze hat offenbar vier Junge, und Sadie Kate gibt keine Ruhe, bis sie sie gesehen hat. Bevor ich mir bewußt war, was ich tat, hatte ich eine Verabredung getroffen, um diese Unglückskätzchen morgen nachmittag um 4 Uhr zu besuchen.
    Woraufhin der Doktor sich mit einer gleichgültig höflichen Verbeugung fortbegab. Und damit ist es offenbar zu Ende.
    Dein Briefchen vom Sonntag ist da, und ich bin glücklich, daß Ihr das Haus genommen habt. Es ist wunderbar, Dich und den Präsidenten so lange als Nachbarn zu haben. Mit Euch beiden um die Ecke werden unsere Verbesserungen vorwärts rasen. Aber mir scheint doch, Du solltest vor dem 7. August herauskommen. Bist Du sicher, daß die Stadtluft Dir gegenwärtig bekommt? Ich habe noch nie eine so hingebungsvolle Gattin gesehen.
    Meine Empfehlungen an den Präsidenten.
    S. McB.

22. Juli.
    Liebe Judy!
    Jetzt hör mal zu!
    Um 4 Uhr brachte ich Sadie Kate ins Haus des Doktors, um die Katzen anzusehen. Aber weil Freddy Howland zwanzig Minuten vorher die Treppe heruntergefallen war, war der Doktor im Hause Howland mit Freddys Schlüsselbeinbruch beschäftigt. Er hatte hinterlassen, wir sollten uns setzen und warten, er werde bald zurück sein.
    Mrs. McGurk führte uns in die Bibliothek; und um uns nicht allein zu lassen, kam sie unter dem Vorwand, das Messing zu putzen, selbst herein. Ich weiß nicht, was sie von uns erwartet hat! Vielleicht, daß wir mit dem ausgestopften Pelikan durchbrennen.
    Ich vertiefte mich in einen Artikel über die chinesische Frage in der „Century“, und Sadie Kate stöberte herum und untersuchte alles wie ein neugieriger kleiner Mungo.
    Sie begann mit einem ausgestopften Flamingo, und wollte wissen, woher er so groß und so rot sei. Ob er immer Frösche esse, und ob er seinen zweiten Fuß verletzt habe? Sie rattert Fragen mit der Unerbittlichkeit eines achttägigen Uhrwerks herunter.
    Ich habe mich in meinen Artikel vergraben und es Mrs. McGurk überlassen, sich mit Sadie abzugeben. Schließlich ist diese, nachdem sie sich halb ums Zimmer gearbeitet hatte, an das Bild eines kleinen Mädchens gekommen, das in einem Lederrahmen die Mitte von des Doktors Schreibtisch einnimmt, — ein Kind von einer merkwürdig elfenähnlichen Schönheit, die sonderbar unserer kleinen Allegra gleicht. Die Photographie könnte ein Bild von Allegra in fünf Jahren sein. Mir war das Bild an dem Abend, als wir beim Doktor zum Essen waren, aufgefallen, und ich wollte ihn eigentlich fragen, welche seiner kleinen Patienten es vorstellt. Ein Glück, daß ich’s nicht getan habe!
    „Wer ist das?“ sagte Sallie, mit einem Satz auf das Bild hin.
    „Es ist die kleine Tochter des Doktors.“
    „Wo ist sie?“
    „Ach, sie ist weit weg bei ihrer Großmutter.“
    „Woher hat er sie?“
    „Seine Frau hat sie ihm gegeben.“
    Ich tauchte wie elektrisiert aus meinem Buch auf.
    „Seine Frau!“ rief ich.
    Im nächsten Aiigenblick war ich über mich wütend, weil ich gesprochen hatte. Aber ich war gänzlich unvorbereitet gewesen. Mrs. McGurk richtete sich auf und wurde plötzlich ungeheuer gesprächig.
    „Und hat er Ihnen nie etwas über seine Frau erzählt? Sie ist vor sechs Jahren irrsinnig geworden. Es war so, daß man sie nicht im Haus behalten konnte, und er mußte sie wegstecken. Es hat ihn fast umgebracht. Ich habe nie eine Frau gesehen, die schöner war als sie. Ich glaube, er hat ein Jahr lang nicht einmal gelächelt. Es ist komisch, daß er Ihnen nie etwas davon erzählt hat, bei der Freundschaft!“
    „Selbstverständlich ist das kein Thema, über das er gerne spricht“, sagte ich trocken und fragte sie, was für einen Messingputz sie verwendet.
    Sadie Kate und ich sind dann auf eigene Faust in die Garage gegangen und haben die Kätzchen gesucht; und glücklicherweise sind wir fortgekommen, bevor der Doktor zurückkehrte.
    Aber kannst Du mir nicht sagen, was das alles bedeutet? Hat Jervis denn nicht gewußt, daß er verheiratet ist? Es ist die sonderbarste Geschichte, die ich je gehört habe. Ich finde wirklich genau wie die McGurk, Sandy hätte einmal nebenbei die Mitteilung machen können, daß er eine Frau im Irrenhaus hat.
    Es muß natürlich eine

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