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Lieber Feind

Lieber Feind

Titel: Lieber Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Webster
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von Mrs. Lippetts Knaben eine solche Frage gestellt. „Fahren Sie in eine Besserungsanstalt?“ wäre die naheliegende Frage gewesen, nachdem man die Tischmanieren ihrer Abkömmlinge beobachtet hatte.
    Meine kleine Bande ist gegen zehn Uhr müde zurückgestolpert gekommen und plapperte aufgeregt eine Menge Statistiken über wechselwirkende Verbundmaschinen, wasserdichte Schotten, Teufelsfische, Wolkenkratzer und Paradiesvögel. Ich habe gedacht, ich würde sie nie ins Bett bringen. Das war einmal ein großartiger Tag für sie! Ich wünschte nur, daß ich öfters solche Breschen in die Routine schlagen könnte. Es gibt ihnen einen neuen Ausblick auf das Leben und macht sie mehr wie gewöhnliche Kinder. War es nicht wirklich reizend von Sandy? Aber Du hättest das Benehmen des Mannes sehen sollen, als ich versuchte, ihm zu danken. Mitten im Satz überging er mich und fragte knurrend Miß Snaith, ob sie nicht mit etwas weniger Karbolsäure auskomme. Das Haus rieche wie ein Spital.
    Ich muß Dir schnell noch erzählen, daß Punch mit vollständig erneuerten Manieren wieder bei uns ist, und ich halte nach einer Familie Ausschau, die ihn adoptieren könnte. Ich hatte ja gehofft, daß diese beiden intelligenten Junggesellinnen sich entschließen würden, ihn für ganz zu behalten, aber sie wollen reisen und finden, daß er ihre Bewegungsfreiheit zu stark beschneidet. Ich lege eine Skizze Eures Schiffes in farbiger Kreide bei, die er eben fertiggestellt hat. Es ist nicht ganz klar, in welcher Richtung es fährt; es sieht aus, als werde es sich vielleicht rückwärts bewegen und in Brooklyn landen. Weil mein Blaustift verloren ist, mußte unsere Flagge die italienischen Farben annehmen.

    Die drei Gestalten auf der Brücke sind Du, Jervis und das Baby. Er schmerzt mich, festzustellen, daß Du Deine Tochter am Nacken packst, als sei sie ein Kätzchen. So werden Babys im J. G. H.-Kinderzim-mer nicht behandelt. Bitte, beachte auch, daß der Künstler die volle Länge von Jervis’ Beinen wiedergegeben hat. Als ich mich bei Punch erkundigte, was aus dem Kapitän geworden sei, sagte er, der Kapitän sei im Innern und schaufle Kohlen aufs Feuer. Es hat einen Rieseneindruck auf Punch gemacht, und mit Recht, daß Euer Dampfer täglich dreihundert Waggon voll Kohlen verbrennt, und er hat es logisch gefunden, daß alle Mann in den Heizraum befohlen wurden.
    Wau! Wau!
    Das ist ein Bellen von Sing. Ich hatte ihm gesagt, daß ich Dir schreibe, und er hat sofort geantwortet.
    Wir schicken beide alles Liebe.
    Deine Sallie.

Das John-Grier-Heim,
    Samstag.
    Lieber Feind!
    Sie waren gestern so fürchterlich grob, als ich versuchte, Ihnen für den herrlichen Tag zu danken, den Sie meinen Buben bereitet hatten, daß ich nicht fähig war, die Hälfte dessen, was ich fühlte, auszudrücken.
    Was ist nur mit Ihnen los, Sandy? Sie waren doch ein erträglicher, netter Mann — stellenweise, aber während der letzten drei oder vier Monate waren Sie mit anderen Leuten nett, nie jedoch mit mir.
    Wir hatten von Anfang an eine lange Reihe von Mißverständnissen und törichten Auseinandersetzungen, aber nach jeder schienen wir auf eine solidere Ebene der Verständigung zu kommen, so daß ich geglaubt hatte, unsere Freundschaft beruhe auf einer genügend festen Grundlage, um jeder normalen Erschütterung standzuhalten.
    Und dann kam der unglückselige Abend im Juni, als Sie einige dumme Unhöflichkeiten mit anhörten, die ich nicht im geringsten gemeint hatte; und von da an entschwanden Sie in die Ferne. Es hat mir wirklich furchtbar leid getan, und ich wollte um Verzeihung bitten, aber Ihr Benehmen war für vertrauensvolle Worte nicht einladend. Ich kann zwar keine Entschuldigung oder Erklärung Vorbringen; wirklich nicht. Sie wissen, wie dumm und lächerlich ich gelegentlich bin, aber sie werden begreifen müssen, daß ich zwar äußerlich vorlaut, töricht und oberflächlich bin, aber im Inneren doch ganz solide; und Sie werden mir den törichten Fall verzeihen müssen. Die Pendletons wissen das schon lange; sonst hätten sie mich nicht hierher geschickt. Ich habe mir große Mühe gegeben, meine Sache recht zu machen, teils, weil ich Ihr Urteil rechtfertigen wollte, teils, weil mir ehrlich daran lag, den armen Kinderchen ihren Anteil am Glück zu verschaffen, aber, wie ich wirklich glaube, hauptsächlich, weil ich Ihnen zeigen wollte, daß Ihr erstes absprechendes Urteil über mich unbegründet war. Wollen Sie nicht bitte die unglücklichen fünfzehn

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