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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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anatolischen Dörfern oder für die seit vierzig Jahren hier
     schuftenden Männer, die in ihrer Freizeit noch nichts anderes gesehen haben als ihr Männercafé und deshalb noch keine Gelegenheit
     gefunden haben, Deutsch zu lernen, für die mag dieser Integrationskurs ja richtig und gut sein. Aber bei mir bewirkt er genau
     das Gegenteil!
     
    |242| Die Tatsache, dass die Integration in erster Linie von den Politikern eingefordert wird, hätte mich schon sehr viel früher
     stutzig machen müssen. Wenn die Politiker was wollen, dann kann das ja nicht wirklich zum Wohle des Volkes sein. Jedenfalls
     nicht für die normale Bevölkerung! »Integration der Ausländer« ist nichts anderes als eine weitere leere Phrase für den Wahlkampf.
     Aber für mich bedeutet diese blöde Integration nackten Hunger!
    Du weißt doch, dass ich gerne und viel esse und dass meine Frau mit allen möglichen Tricks versucht, mich davon abzuhalten.
     Wie zum Beispiel, ich sei zu alt, ich sei zu fett, ich hätte Zucker, ich hätte hohen Blutdruck, und meine unglaublichen Cholesterinwerte
     hätten meinen armen Hausarzt in einen so grauenhaften Schockzustand versetzt, dass er seine Praxis für zwei Wochen schließen
     und sich einer sehr komplizierten Therapie unterziehen musste.
    Und was macht ein Mann, der zu Hause nicht das bekommt, was er gerne hätte?
    Er sucht sein Glück außerhalb der heimischen vier Wände. So wie ich.
    Damit meine ich aber nicht die teuren Restaurants. So viel Taschengeld bekomme ich von meiner Frau nämlich nie.
    Deshalb bin ich mit Vorliebe dort Stammkunde, wo es gutes Essen zum Nulltarif gibt. Ich habe mich spezialisiert auf Jubiläen,
     Eröffnungen, Neujahrsempfänge, Hochzeiten, Geburtstage und Integrationswochen, wo es kostenlosen Eintritt und ein offenes
     Büfett gibt. Ich bevorzuge natürlich in erster Linie türkische Veranstaltungen dieser Art!
    Wenn also der türkische Übersetzerverein zum zwanzigjährigen |243| Jubiläum einlädt, dann prosten Hasan und ich uns mit dicken, lecker gefüllten Paprikas zu. Wenn das Reisebüro Bosporus seinen
     achten Geburtstag feiert, dann veranstalten Nedim und ich einen Wettbewerb im Köfte-Schnellessen. Bei der Eröffnungsparty
     von Ayses Änderungsschneiderei haue ich mir mit meinem Kumpel Ahmet den Magen derart voll, dass wir normalerweise bis zum
     nächsten Jahr eigentlich nichts mehr zu essen bräuchten. Wenn unser Sozialarbeiter Ali uns jedes Jahr in der »Woche der ausländischen
     Mitbürger« zum »Integrationsessen« einlädt, verschlinge ich zwölf Lahmacuns mehr als mein Arbeitskollege Hans, obwohl der
     mit achtzehn mit Hackfleisch, Tomaten und Zwiebeln belegten Lahmacuns gar nicht mal so schlecht abgeschnitten hat. Der Staplerfahrer
     Hans aus Halle 4 hat sich nämlich lieber bei uns integriert, weil ihm das Essen der Parallelgesellschaft wesentlich besser
     schmeckt als das Essen aus der Leitkühltruhe, ich meine, aus der Tiefkühltruhe.
     
    Lieber Onkel Ömer, nun muss ich leider »schmeckte« sagen! Es gehört nämlich alles der guten, alten Vergangenheit an. Spätestens
     seitdem die ganzen Ausländer um mich herum, ich meine, seitdem diese ganzen Vaterlandsverräter in Deutschland den Lügen der
     Politiker erlegen sind und sich alle jämmerlich integriert haben – oder so tun, als hätten sie sich integriert, weil es denen
     so gut in den Kram passt –, gibt es bei allen Einladungen und Empfängen während der Integrationswoche keinen Döner mehr, kein
     Köfte, keine gefüllten Paprikas oder Auberginen, kein Börek, kein Lahmacun, kein Ayran und keinen türkischen Tee. Ich habe
     bereits drei Kilo abgenommen und bin nur noch ein |244| Schatten meiner selbst! Selbst bei Ali gestern gab es nichts anderes mehr zu essen als billige Käsebrötchen, steinalte Salzstangen,
     ein paar trockene Kekse und dazu abgestandene, lauwarme Kola ohne Kohlensäure!
     
    Wer wird diesem Integrations-Wahnsinn denn endlich ein Ende bereiten? Ich will doch nur mal wieder was Anständiges zu essen
     haben! Hiermit erkläre ich ganz offiziell: Ich bin gegen die Integration von Ausländern und für die aneinander vorbeilebenden
     Parallelgesellschaften! Hat in Deutschland die ganzen Jahrzehnte doch total prima geklappt und sehr gut geschmeckt!
     
    Ich küsse Dir, Tante Ülkü und allen Älteren in unserem schönen Dorf ganz herzlich mit großem Respekt die erfahrenen Hände
     und allen Jüngeren mit viel Liebe die hübschen, unschuldigen Augen.
    Eminanim und die

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