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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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und sie sagte: Ich hoffe es. Sie hatte eine Flasche Weißwein ausgetrunken und war doch nüchtern, und ich
     hob die Hand, der Kellner reichte mir die Rechnung im Lederetui, ich klappte es auf und legte zwei Tausendkronenscheine hinein,
     sie stand sofort auf und lehnte es ab, sich in den Mantel helfen zu lassen. Draußen steckte sie ihre Hände in die Taschen,
     und es gelang mir nicht, ihr eine gute und bessere Stimmung vorzugaukeln, Männer kamen uns entgegen, Männer, die ihre Kragen
     lockerten, schon wieder und überall.
    |292| War es das jetzt? War es das wert? hatte sie am Tisch gesagt, bist du mit dir zufrieden? Hast du endlich keine Langeweile?
     Hast du es geschafft, herrisch wie du bist, über meine Schönheit zu verfügen und meine Schönheit zu verhüllen? In den letzten
     Tagen kam eine Freude nach der nächsten, ist es dir zuviel geworden? Stört dich mein Blutvergießen, stören dich meine Blutergüsse?
     Stört es dich, daß ich meine Blusen in handwarmem Wasser wasche? Bin ich für dich eine gewöhnliche Frau? Habe ich mich dir
     zu früh hingegeben? Liebst du Frauen, die in ihrer Küche einen Holzklotz haben, in dem die Messer stecken? Bist du ein Schwein
     und ein Schwärmer in einem? Hast du mich verbraucht, und brauchst du jetzt eine Erfrischung? Spiele ich meine Rolle schlecht,
     glaubst du, daß ich in eine Rolle geschlüpft bin? Ist dir Prag zu Kopf gestiegen? Bedrohe ich dich mit meinem Verlangen? Sind
     dir Frauen lieber, die hart wie Nußschalen sind? Haben dir meine Brüste nicht gefallen?
    Sie stellte noch weitere Fragen, ich wußte, daß ihr meine Antworten egal waren, ich hatte ihr das Herz gebrochen, ich hatte
     ihr gesagt, daß ich nach Wien reisen würde, ihr hinterher, das war doch die Wahrheit, die ich ihr nicht vorenthalten durfte,
     Tyra hinterher, denn sie hatte ihre Studien in Prag abgeschlossen, ich erfuhr es von der Sekretärin im Philosophischen Institut,
     ihr hinterher nach Wien, denn es war noch nicht zu Ende, dieses nicht perfekte, nicht häßliche Ende ging mich nichts an, in
     Prag würde ich mir den Wind um den Kopf pfeifen lassen und verzwergen, bliebe ich hier, es war beschlossene Sache, ich fuhr
     ihr hinterher und brach Jarmila das Herz.
    War ich zu nachsichtig? Hätte ich dich zum Stolpern bringen sollen? Hat dich der verrückte Mann erschreckt, er, den ich nur
     selten unter meine Bettdecke schlüpfen |293| ließ? Liebst du Frauen, die den Zigarettenrauch lange in der Lunge halten? Liebst du Frauen in Nerzmänteln? Liebst du perverse
     kalte Frauen? Liebst du Frauen, die dich verwüsten?…
    Ihr gebrochenes Herz.
    Ich wollte doch nur etwas Zeit gewinnen.

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    Die Kenner und Liebhaber dieser Stadt hatten mir nahegelegt, die Friedhöfe zu besuchen, ich könnte im Anblick der Todestafeln erkennen, daß ich eine
     Strohpuppe wäre, die zur rechten Stunde der dunkle Engel in Brand steckte, ich könnte Frieden finden, wenn nicht den Frieden,
     so doch etwas Ruhe, wenn nicht die Ruhe, so doch unberührte Erde. Wenn sie mit dem Engel meinen finsteren Zwillingsbruder
     meinten, der von Zeit zu Zeit mein Zwerchfell quetschte, der hochstieg, um seinen schlechten Atem durch meine Nase zu blasen,
     dann brannte ich längst – ich haßte es, die in Stein gemeißelten Geburts- und Todesdaten zu lesen und mich an Geschichten
     zu ergötzen, in denen von tiefen Nagelkerben in Sargdeckeln die Rede war und von Totengräbern, die ob der Schreie der Verscharrten
     verrückt wurden.
    Ich kam im Hotel K. im siebten Wiener Bezirk unter, direkt vor dem Haus, auf der anderen Straßenseite, standen an der Straßenbahnhaltestelle
     Siebensterngasse knorzig geratene Männer und Frauen, sie machten den Eindruck, als hätten sie sich für eine dunkle Messe schlampig
     gekleidet, und unter ihnen war manchmal ein junger Mann auszumachen, der seine hohen weißen Hemdkragen aufrichtete oder einen
     Blick auf die Aktentasche zwischen seinen Fußknöcheln warf. Ein fescher nervöser Wiener, dachte ich, wahrscheinlich wohnt
     er noch bei seiner Mutter, und sie mahnt ihn jeden Morgen vor dem Verlassen der Wohnung zu äußerster Vorsicht |295| gegenüber den Menschen auf den Straßen, die es darauf abgesehen haben, ohne Fleiß durchs Leben zu kommen. Er hatte ein Gesicht
     wie ein Süßwasser-Masu-Lachs, das Fischbilderbuch lag im Hotelfoyer aus, und ich hatte darin geblättert und die Abbildung
     des Lachses mit den Kneifzangenkiefern lange angestarrt, bis mir eingefallen war, an

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