Liebesbrand
da gab er mir die Hand, ich war sehr glücklich, ich war so glücklich, daß mir die
Tränen in die Augen schossen, sie hatten mich nicht allein gelassen, sie hatten mich beschützt, und Jarmila stellte sich im
Bett auf die Knie und die Hände und forderte mich auf, hart in sie einzudringen, und da sprach sie wieder tschechisch, sie
schrie in jedem Satz auf, und ich umfaßte von hinten ihre Brüste, ich war hier, bei ihr, und endlich dachte ich nicht mehr
an Tyra und den Mulattenchef und die Freundliche und die Tschechen und die schöne Frau im Nerzmantel, jetzt wechselte Jarmila
wieder die Sprache und schrie: Du bist mein Mann! ich glitt aus ihr heraus und drang in sie ein, sie schrie: Du bist mein
Mann! sie zog mich heraus und drückte mich hinein, sie schrie: Du bist mein Mann! ich konnte nicht schreien, ich konnte nicht
antworten, ich konnte ein Liebhaber sein, jetzt in diesem Zimmer, auf diesem Bett, komm! schrie sie, komm, schrie sie, beiß’
mich in den Rücken! schrie sie, ich schwitzte auf ihrem Rücken und verbot mir, die Augen zu schließen, denn ich hätte sofort
das Bild ihres Gesichts erblickt, ich hätte mir vorgestellt, daß es ihr Körper unter mir war und daß Tyra meinen Körper nahm,
ich zwang mich zu |287| dieser erbärmlichen Zurückhaltung, bis sie kam, bis ich kam. Jarmilas Körper unter meinem Körper.
Rede mit mir, flüsterte sie.
Bin ich zu schwer? sagte ich, soll ich herunterrollen?
Bleib’ liegen, sagte sie, oder willst du dich von mir entfernen?
Nein, log ich.
Schön, hauchte sie.
Schön, log ich.
Rede mit mir, wiederholte sie.
Ich hätte es nicht erwartet ...
... Daß wir miteinander schlafen?
Ja.
Ich wußte es sofort, flüsterte sie, in Brünn wäre ich fast schwach geworden. Aber es war noch zu früh.
Ja, sagte ich.
Wirklich?
Ich hätte auch in Brünn jeden Widerstand aufgegeben, sagte ich, das ist die Wahrheit.
Sie hat dich davongejagt, stellte sie fest.
Sie will nichts von mir wissen.
Und der Verrückte will auch nichts von mir wissen. Du und ich sind die zweite Wahl.
Meinst du?
Du liebst mich nicht, sagte sie, du bist nicht einmal in mich verliebt. Also bin ich eine Verlegenheitslösung.
Das stimmt nicht.
Doch, sagte sie, aber das passiert fast jeder Frau und jedem Mann. Ich bin nicht böse … Du willst deine Ruhe haben, oder nicht?
Wenn du jetzt weggehst, Jarmila, fühle ich mich elend. Ich muß nur dringend auf die Toilette.
Ich rühre mich nicht von der Stelle, sagte sie, beeil’ dich.
|288| Ich rollte mich von ihrem Rücken und verschwand im Bad, um wenig später zurückzukommen, und tatsächlich, sie hatte sich nicht
bewegt, also legte ich mich auf ihren Rücken, und ich vergrub mein Gesicht in ihren Haaren, es half gegen das Elend, ich schloß
die Augen, lauschte ihrem Atem und schlief ein.
Die Malerin aus Kiel, der Stadt, der ich – wie viele Tage? – ferngeblieben war, sie meldete sich, wahrscheinlich hatte Gabriel
ihr meine Telefonnummer gegeben, oder hatte ich sie ihr verraten, damals, in jener Nacht, in der sie mich vom Elend erlöste?
Die Malerin meldete sich nicht mit ihrem Namen, und ich brauchte einige Zeit, um darauf zu kommen, wer sie war, sie erzählte
Geschichten, sie erzählte die Geschichte von ihrer Freundin, sie hatte ihr zur Ehe geraten, damit das kommende Kind nicht
in die Sünde hineingeboren wurde, und wenig später hatte die Freundin einen Massenprolaps gehabt, einen massiven Bandscheibenvorfall,
die erste Operation war nicht erfolgreich und ein zweiter Eingriff erforderlich, die Malerin hatte mit der Ärztin gesprochen.
Ich bin ein entschiedener Gegner von Operationen, hatte sie gesagt, aber in diesem Fall muß ich sie anweisen, sich sofort
zur Unfallstelle des Bundeswehrkrankenhauses zu begeben, die Bandscheibe ist nicht mehr dort, wo sie sein müßte, also wird
es auch nach der OP eine instabile Situation im Lendenwirbelbereich geben … Die Malerin warf sich vor, voreilig von der Sünde
geredet zu haben, ihre Freundin jedenfalls dachte nicht an Ehe und an Schwangerschaft, sie hatte die Eingriffe überlebt, sie
hatte den dreiwöchigen Aufenthalt im Rehabilitationszentrum überstanden, und bei einem Besuch von der Malerin hatte sie ihr
ein Geheimnis anvertraut, das kleine Bündel Mensch in ihr, das fremde Fleisch in ihrem Bauch machte ihr große Angst, |289| und die Malerin war seither verwirrt, weil sie diese Frau für geistesgestört hielt, mit Geistesgestörten
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