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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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keine dringenden Geschäfte aufgehalten hatten, er konnte also das Nötigste
     in drei große billige Umhängetaschen stopfen, dann fuhr er zu einem Discountgeschäft und kaufte ein paar klobige Wanderschuhe,
     Tennissocken im Dutzend und Reiseproviant für die ersten zweihundert Kilometer, nicht ein einziges Mal hätte sein Handy geklingelt,
     nicht ein einziges Mal wäre er bei seinen Kaffeepausen in den Raststätten von einer Frau angesprochen worden. Sein neues Auto,
     einen gebrauchten Speditionskastenwagen, hätte er in der Nähe parken können, das Einzelzimmer, das ich für ihn gebucht hatte,
     wäre nicht unbedingt luxuriös und das Bett natürlich zu klein, er würde wie üblich diagonal liegen müssen und im Schlaf mit
     dem Kopf gegen die Nachtkommode knallen und |298| davon wach werden, der Mann an der Rezeption hätte ihm ungefragt den Rat gegeben, die Matratze vom Bettgestell auf den Boden
     zu wuchten, die Wiener wären laut seiner Erinnerung böse hilfsbereite Menschen, die ihn, den Zweimetermann, anglotzten, weil
     sie ihm Worte der Reue entlocken wollten, und der Rezeptionist hätte also mit seinem Angebot, beim Matratzenwuchten mit anzupacken,
     doch nur ihn, den eben nicht behinderten Zweimetermann, vor den anderen Hotelgästen bloßstellen wollen, denn er hätte im Hinterzimmer
     der Rezeption eine wirklich süße Auszubildende entdeckt, er, der nicht uncharmante Zweimetermann, würde bei ihr sein Glück
     versuchen …
    Gabriel! sagte ich, danke, ich freue mich auch, dich wiederzusehen.
    Stell’ dich nicht so an, sagte er, ich bin hier, weil ich deinem Hilferuf gefolgt bin.
    Na ja.
    Wo wir dabei sind … wir müssen uns über meinen Tagessatz unterhalten.
    Aha, sagte ich.
    Ich dachte an hundert Euro pro Tag.
    Soviel hat nicht einmal die Tschechin in Prag genommen.
    Der Knüppel liegt beim Hund, sagte Gabriel.
    Was heißt das?
    Hier geht’s ja nicht nur um eine Stadtführung. Du willst diese Frau ...
    ... Tyra, sagte ich.
    Du willst diese Tyra davon überzeugen, daß … wovon auch immer. Ich werde dir auch dabei helfen müssen. Dein Alleingang in
     Prag war ja nicht unbedingt erfolgreich.
    Es war ein Anfang, sagte ich.
    Die ersten Regentropfen klatschten auf das Pflaster, |299| und wir suchten Schutz vor dem Unwetter in einem Hauseingang. Ich holte mein Portemonnaie aus der Hosentasche, zog einen Hunderteuroschein
     heraus und gab ihn Gabriel, der ihn sofort in den Tiefen seiner Jacke versteckte.
    Gut, sagte er, für meine Unterkunft und Spesen ist gesorgt. Hast du ihre Adresse?
    Nein.
    Was hast du die ganzen Tage gemacht?
    Herumgehangen, sagte ich, durch die Straßen gestreift und auf eine zufällige Begegnung gehofft. Versucht, die Einteilung der
     Bezirke zu verstehen.
    Und?
    Um den Wiener Kern verläuft der Ring, sagte ich, das ist die alte Stadtmauer. Die dritten bis neunten Bezirke liegen innerhalb
     des Gürtels, der zweite Bezirk, die Leopoldstadt, liegt außerhalb, genauso wie die Außenbezirke.
    Wir haben also dreiundzwanzig Bezirke, die wir nach deiner Tyra absuchen müssen, stellte Gabriel fest, zerrte mich wieder
     ins Freie, der Regen war stärker geworden, und nach einigen Minuten mußten wir uns unter eine Markise stellen. Gabriel rief
     mit meinem Mobiltelefon die Auskunft an und ließ sich mit dem Institut für Geschichte verbinden, dann zückte er einen Spiralblock
     und schrieb die Adresse auf.
    Doktor-Karl-Lueger-Ring eins, sagte er, das ist im ersten Bezirk, also bei uns um die Ecke. Wir werden uns auf die Lauer legen
     und sie abpassen.
    Das geht nicht, sagte ich, genauso habe ich es auch in Prag gemacht. Sie wollte mich davonscheuchen, sie dachte, ich verfolge
     sie.
    Das tust du auch.
    Ich folge ihr, aber ich verfolge sie nicht.
    Gib mir eine Personenbeschreibung, dann werde ich |300| mich in der Nähe des Instituts postieren, und wenn ich sie finde, rufe ich an.
    Sie hat mit dir gesprochen, sagte ich, sie gehört zu der Sorte von Frauen, die von der Stimme auf den Mann schließen.
    Gut, sagte Gabriel, dann machen wir uns ein paar schöne Tage in Wien. Tyra ist Geschichte.
    Das ist sie nicht.
    Ich könnte mich umhören, ich kenne ein paar Leute hier.
    Tu das nicht, sagte ich, sie würde davon erfahren.
    Wir haben die Adresse, sagte Gabriel und wedelte mit dem Spiralblock, es kann dir doch egal sein, ob sie dich für einen Gentleman
     hält oder nicht. Jetzt mußt du mit dem Rammbock ran. Sie hat sich eingebunkert? Ich möcht’ mal sehen, was sie macht, wenn
     ihr die

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