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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Frau Nebel einen wunderschönen Resttag wünschte, stellte sie trocken fest, daß sie sich geschmeichelt fühlte, die Schicklichkeit
     aber einen weiteren Aufenthalt seinerseits an ihrem Bett strikt verböte, er sollte sie bitte nicht länger in Anspruch nehmen.
     Ich sann wieder einmal darüber nach, ob ich in diesem Land böse Blicke auf mich zog, denn jedesmal, wenn ich hierherkam, schienen
     Flüche ihre volle Wirkkraft zu entfalten, ich brach mir den Fuß, bekam |33| eine Mittelohrentzündung, litt an beiden Handgelenken an Sehnenscheidenentzündung oder überlebte nur knapp einen schweren
     Verkehrsunfall. War ich in Deutschland geschützt? Ich wußte es nicht, diese Gedanken brachten mich nicht weiter, und mir ging
     auf die Nerven, daß Frau Scham und Nebel mir schmachtende Blicke zuwarf; sie bot mir sogar süßes Gebäck an, ich lehnte dankend
     ab, sie zeigte mir die in Öl eingelegten, mit Hackfleisch gefüllten Paprikaschoten, ihre charakterlahme Schwägerin hätte sie
     bei ihrem letzten Besuch vorbeigebracht, und ich könnte doch, wenn ich schon nicht davon probieren wollte, Brot ins Öl tunken.
     Ich lehnte dankend ab. Und schlief ein, ich schlief tief und fest, ich hatte keine Alpträume, ich wachte nicht schreiend auf,
     sondern wurde von Leber wachgeschüttelt, er sagte, ich hätte mit meinen schnarrenden und pfeifenden Nasenlauten fast den ganzen
     Saal unterhalten, fünf Stunden Schlaf wären genug. Am kleinen Waschbecken rechts neben der Tür wusch ich mein Gesicht, es
     gab keinen Spiegel, in den ich hätte schauen können, vielleicht war es besser so, ich schlüpfte in den buntgestreiften Reservemorgenmantel,
     den mir Leber aufdrängte, ein Mann im Morgenmantel machte, wie er laut verkündete, viel mehr her als ein Mann in einer lausigen
     Jacke. Wir gingen los, Messer und Bluterguß hatten sich uns angeschlossen, wir alle steckten in Morgenmänteln und Straßenschuhen,
     ein unbeteiligter Beobachter hätte uns für eine Kampftruppe von Irren halten können. Leber übernahm die Führung, und während
     wir um Ecken bogen, Treppen hoch- und runterstiegen, lange und kurze Flure entlangschritten, sprach er davon, daß dieses Staatskrankenhaus
     ein Reich der Trennvorhänge und kleinen Kammern wäre, man würde die besondere Affinität der Krankenschwestern zu gutaussehenden
     Ärzten aus den Groschenheften kennen, hier |34| aber herrschten die Gesetze der Realität, hier würden dicke, mit Keulenwaden watschelnde Krankenschwestern buckligen und verwarzten
     Ärzten verfallen, man sollte die schöne Frau Ärztin bitteschön als Ausnahme von der Regel begreifen. Messer blieb ruhig. Von
     einem Kuß wird man nicht schwanger, fuhr Leber fort, und auffallend ist, daß die Schwangerschaftsrate null Prozent beträgt,
     also pflegt das Personal bei seinen heimlichen Praktiken höllisch aufzupassen. Aber gut, diesen schnellen Schüssen und dem
     Dunkelkammerbeischlaf haben wir es zu verdanken, daß man uns Kranken mit einiger Nachsicht begegnet, man stelle sich mal die
     Seelenlage der Ärztinnen und Ärzte vor, wenn … Messer blieb ruhig, und ich war damit beschäftigt, den mir entgegenkommenden,
     bandagiert flanierenden Männern und Frauen auszuweichen, die Langeweile hatte sie, genauso wie uns, aus den Betten gescheucht,
     die Siechen, Lahmen und Einäugigen trotteten durch die Flure der Stationen, gelegentlich stürzte eine Schwester zu einem Kranken
     und trieb ihn wieder zurück.
    Dies ist kein Ort der Bedrohung, stellte ich fest, ich hatte längst die Orientierung verloren, ich glaubte nur, daß wir uns
     zum rückwärtigen Teil des Krankenhauskomplexes vorarbeiteten, und tatsächlich glichen die Krankenschwestern nicht den jungen
     Elfen in Weiß, die man in den Vorabendserien bewundern konnte, die Kittel spannten um die Hüften, und ich sah Schminkkästen
     aus ihren Taschen hervorlugen.
    Schließlich fanden wir uns in der Kantine ein, ich schaute mich fragend nach Leber um, wir werden am Bett bedient, sagte er,
     aber wer den üblen Fraß ißt, ist selber schuld, Messer drängte an der langen Schlange vorbei, wobei er hier und da Ellenbogenstöße
     verteilte, und als er vor dem Essensausteiler stand, umfaßte er mit beiden Händen seinen Kopf, zog ihn sanft heran |35| und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Mann schien über die Verletzung seiner persönlichen Unantastbarkeit keineswegs empört,
     er nickte, tauchte die Schöpfkelle in den Aluminiumbottich, und während er die

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