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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Hackfleischkloßsuppe ausgab, bellte er seinen
     zweiten Kantinenoffizier an. Messers Anweisung wurde wohl über die Befehlskette bis zu den Köchen durchgegeben, Messer war
     es zufrieden, und er führte uns an einen freien Tisch, wir schlüpften aus unseren Morgenmänteln, hängten sie über die Stuhllehnen
     und setzten uns hin. Wenig später löffelten wir unsere Suppe, die Schärfe trieb mir die Tränen in die Augen, ich blieb ruhig.
    Du kennst den richtigen Mann am richtigen Ort, sagte ich.
    Er ist mein Bruder, sagte Messer.
    Was? Dein Bruder arbeitet in der Kantine, dann ist ja alles klar.
    Messer schaute mich nur an, und ich verstand, daß er enttäuscht war, daß ich nicht wirklich verstand, und endlich ging mir
     ein Licht auf, der Essensausteiler war deshalb Bruder, weil er Messers Wünsche respektierte. Bluterguß wischte seinen Teller
     mit einem Brotstück blitzblank und lehnte sich zurück.
    Die Suppe ist der wahre Höhepunkt eines Tages, stellte er fest.
    Da kann ich mir aber ganz andere Dinge vorstellen, sagte Leber, schade, daß sich nur in Filmen eine Krankenschwester in einen
     Patienten verliebt. Und schade, daß die hiesigen Schwestern, wie gesagt, nicht mit übermäßiger Schönheit gesegnet sind.
    Wir wollen die Schwester aus der Intensivstation nicht übergehen, sagte Bluterguß.
    Ich habe sie in die Konditorei zwei Straßen von hier entfernt eingeladen, sagte Messer, ich habe mich wie ein Kavalier alter
     Schule verhalten. Und trotzdem hat |36| sie mich abgewiesen. Sie ist nicht einmal verlobt, und meines Wissens hat sie sich auch auf keine Trennvorhang-Liaison eingelassen.
    Ich kann dir den Grund nennen, sagte Bluterguß, vielleicht sogar zwei Gründe. Erstens, du bist unrasiert.
    Das sehe ich ein.
    Zweitens, du bist ein Patient und damit die Horizontale, weil du per Definition zu den Liegenden gehörst. Eine Schwester ist
     die Vertikale, sie macht dein Bett, bringt dir das Essen ans Bett und wechselt deinen Tropf oder gibt dir eine Spritze. Sie
     steht, du liegst, die Waagrechte kann sich schlecht zur Senkrechten ins Verhältnis setzen.
    Als ich sie zum Tee und Gebäck einlud, stand ich vor ihr, sagte Messer, deine Theorie bleibt eine Theorie.
    Bedenke, daß die besagte junge Frau von oben empfängt und nach unten reicht, sagte Leber, dies ist ein Haus für Kranke und
     Verletzte, du bist verletzt, sie ist gesund, sie steht an deinem Bett hinter dem Vorhang und schaut auf dich herunter. Gleich
     zu gleich gesellt sich gern, also muß einer von euch beiden fallen, und das kann nur die Schwester sein.
    Die zweideutige Bemerkung schien Messer kurz aufzuwühlen, doch weil er schlecht aus seiner Rolle des Gastgebers fallen konnte,
     drückte er sein Mißfallen mit einem Zischlaut aus und ließ den ungerührt löffelnden Leber in Ruhe. Er verließ die Runde, um
     kurz danach mit einem Tablett voller Kompottschüsseln zurückzukehren, wir putzten den Nachtisch weg und machten uns für den
     Verdauungskaffee auf den Weg zum Kiosk. Man mußte sich also nur fügen und treiben lassen, diese Männer im Morgenmantel hatten
     sich meiner angenommen, sie hatten mir sogar einen Morgenmantel geliehen, eine mittelalte Dame schmachtete mich an, diese
     Liebe konnte ich zwar aus vielen Gründen nicht |37| erwidern, aber Zuneigung blieb Zuneigung, und ich mußte dankbar sein. Ich war eher verwirrt.
    Draußen trieben sich die üblichen Verdächtigen herum, ruhelose Geister und professionelle Schaulustige, einige wenige Frauen,
     die Kürbiskerne knackend miteinander schnatterten. Die Parkbänke waren besetzt, wir bezogen vor dem Kiosk Stellung, der Polizist,
     den wir nur hinter seinem Rücken Blutnase zu nennen wagten, war in Bombenstimmung und genehmigte sich aus dem Kaffeeplastikbecher
     ein paar Schlucke Bier. Die Abenddämmerung verwischte die Farben und Umrisse, die Neonlampen gingen flackernd an, und die
     Tauben beäugten von den unteren Ästen der wilden Birke auf dem Nachbargrundstück aus die Brotkästen, die der Pfleger aufeinanderstapelte.
     Zweimal fuhr ein Krankenwagen vor, die Heckklappen wurden aufgerissen, die Krankenbahre wurde ausgefahren, und ich sah beide
     Male wimmernde Männer darauf, die den Himmel um Beistand anflehten. Jedesmal stimmten wir ein Amen an und legten eine Minute
     Gesprächspause ein. Dann sprachen wir weiter, über Gott und die Politik, über kratzende Herrenunterwäsche, über Frauen, über
     die Techniken der Nasenhaarentfernung, über ein neues deutsches

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