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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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zum Kiosk, brachte drei Tassen brühheißen
     Kaffee in Plastikbechern, und wir verbrachten die nächsten Minuten damit, im Kaffee zu rühren.
    Du wirst bestimmt in ein paar Tagen entlassen, sagte Bluterguß, was kommt dann? Wirst du nach Deutschland zurückkehren?
    Ja, sagte ich.
    Erwartet dich dort eine Frau? sagte Leber.
    Nein, sagte ich.
    Du siehst doch, daß er keinen Ehering trägt, sagte Bluterguß, er ist nicht verheiratet, und so wie es aussieht, hat er keine
     Freundin.
    Frauen, rief Leber, Frauen, Frauen, Frauen.
    Mir blieb nichts weiter zu tun, als ihnen zuzuhören, denn sie schienen sich über ihr Lieblingsthema zu unterhalten, sie lebten
     im ersten Jahrzehnt nach ihrer Scheidung, und von ihren ehemaligen Ehefrauen wußten sie wenig zu berichten, der Trinker warf
     der Davongelaufenen vor, sein Alkoholproblem übermäßig negativ bewertet zu haben … Übermäßig negativ, dachte ich, habe auch
     ich etwa den prächtig aufgeklärten Stiefsohn meiner Tante mißverstanden? Bluterguß zupfte mich am Ärmel, er wollte von mir
     wissen, wieso ein erwachsener Mann in der Liebe zum Kind werde, ich setzte schon zu einer Antwort an, da gebot mir der Trinker
     mit einem Zungenschnalzer Einhalt.
    Kannst du dir hinters Ohr schauen? sagte er zu Bluterguß.
    Nein.
    Eben, fuhr der Trinker fort, ich kannte einen, der konnte sein Ohr umknicken, die reinste Zirkusattraktion. Aber sich hinters
     Ohr sehen konnte er nicht. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, sagte Bluterguß, ich lernte meine Frau kennen, da war
     sie noch |26| eine Lilie der Reinheit, die Katzen des Viertels liefen ihr zu, und ich wußte, sie wird vielleicht nicht die Mutter meiner
     Kinder, aber sie wird auf jeden Fall meine Frau. Ich hegte keine Zweifel. Ein ganzes Jahr hat sie mich hingehalten, rosenwasserbesprengte
     Briefe, kleine und große Geschenke, Seidenhalstücher, Handschuhe, Nylonstrumpfhosen … und dann, ein Jahr lang hatte ich geschuftet,
     durfte ich sie auf den Mundwinkel küssen … Das ist ein geringes Entgelt …
    Ich drehte mich um, vor mir stand ein Unrasierter, ein junger Mann, der sich einen Protestbartschatten hatte wachsen lassen,
     und wie um seine Unnachgiebigkeit zu untermalen, knackte er Kürbiskerne und spuckte die Schalen nicht etwa aus, sondern schob
     sie mit der Zungenspitze auf die Unterlippe, von der sie einfach herunterfielen. Von diesem Mann ging eindeutig Gefahr aus,
     ich mußte an meinen Vater denken, vielmehr an den Merksatz, den er mir immer wieder eingebleut hatte: Kontakte zu einfachen
     Bürgern in der Dämmerung und im Morgengrauen bergen ein hohes Risiko. Leber stellte mich vor, Herr Rippe, Herr Messer, natürlich,
     der Name lag nahe, wahrscheinlich ging Messer keinem Streit aus dem Weg und hatte vielleicht diesmal seinen Meister gefunden.
    Du hättest dich doch damals für sie in Stücke hacken lassen, sprach dieser Messer zu Bluterguß, und ich sage dir: Hättest
     du sie um ein Leumundszeugnis gebeten, sie hätte es dir nicht ausgestellt.
    Woher willst du das wissen? sagte Bluterguß.
    Wir beugen das Haupt und spucken dem Herrscher auf den Stiefelspann.
    Und das heißt was?
    Das heißt, daß wir die Frauen nicht beherrschen können, sagte Messer, sie lieben in alle Richtungen, und wenn wir zufällig
     in der Richtung anzutreffen sind, in |27| die sie sich bewegen, werden wir ein wenig glücklich. Sie befassen sich mit uns, wir nennen es Liebe, und dann schlagen sie
     eine andere Richtung ein, und wir reiben uns die verweinten Äuglein.
    Du bist ja in der Liebe ein Alleswisser, sagte Leber, und da mich der Gesprächsgegenstand zermürbte, blickte ich mich um,
     der Vorplatz der Notaufnahme wurde begrenzt von einem hohen, an manchen Stellen durchbrochenen und notdürftig geflickten Zaun,
     es schloß sich ein großes Baugelände an, auf dem die ersten vier Stockwerke eines Hochhauses hochgezogen waren. Der umgekippte
     Betonmischer versank im Matsch, ein Gartenschlauch war wie eine Geschenkschleife um den verschlammten Kessel herumgewickelt,
     auf dem Schutthaufen daneben entdeckte ich den Abfall aus den Haushalten der Bürger, Toilettenschüsseln, Wäschespinnen, aufgeschlitzte
     Sofapolster. Die Insekten des Spätsommers schwirrten über dem Müll, es war eigenartig, daß der Blick über den Zaun meine Angst
     aufflammen ließ. Sonderbar waren meine neuen Bekanntschaften, sie fragten nicht nach Name und Beruf, es zählte allein das
     wunde Organ, der geprellte Knochen oder das Mordinstrument,

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