Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
Vom Netzwerk:
Wunderprodukt, den Gartenschlauch mit Nachtropfstopp, über
     Frauen, über Einwegrasierer, die schon nach dem zweiten Gebrauch stumpf werden und mit denen man sich fast verstümmelt, über
     die Abdrücke im Teppich, die Kommodenbeine hinterlassen und deretwegen der Mann von seiner Ehefrau beschimpft wird (der Polizist),
     über die verdammten Meteorologen, die eine Schlechtwetterfront vorhersagen, und die Wahlprognoseinstitute, die fast immer
     die Opposition zum Wahlsieger erklären, über das gute Wetter und die siegreiche Regierungspartei. Und über die Frauen. Ein
     häßlicher Zwischenfall im Tagesablauf eines jeden von |38| uns, mit Ausnahme des Polizisten, der seiner Arbeit nachging, hatte uns zusammengeführt, und wenn wir ehrlich sein wollten,
     waren der Unfall, der Zusammenbruch, die Messerstecherei, die plötzlich ausbrechende Krankheit willkommene Anlässe, den Trott
     zum Teufel zu schicken, der Lebensüberdruß jagte uns Männer im Morgenmantel einen Heidenschreck ein. Die Verkommenen wollten
     sich an uns schmiegen, und wir hatten es satt, den Verkommenen Wärme zu spenden. Natürlich bildete ich mir das Gemeinschaftsgefühl
     nur ein, ich sah ein gemeinsames Band, eine kleine Verschwörung auf dem Vorplatz der Notfallambulanz, ich sah uns, die wir
     in Plastikkaffeebechern rührten, ein perfides Bubenstück planen, dabei hatte der Polizist, nach einer Wutpredigt wider das
     üble Eheweib, unsere Losung ausgesprochen: Angeschossen ist nicht tot. Wen wollten wir damit beeindrucken? Die Tauben, den
     sprechbehinderten Kioskbesitzer, der die Tauben die Krümel aus den Brotkästen picken ließ? Oder den Pfleger? Leber hatte keine
     hohe Meinung von ihm, er hatte mir im Vertrauen verraten, daß er ihn für einen Minderbegabten hielt, und jeder Minderbegabte
     hätte das Zeug zum Kollaborateur, dem verlausten Pfleger fehlte es allein an Courage, an den richtigen Feind heranzutreten
     und ihm seine Dienste anzubieten, die Lümmel und Verbrecher warteten nur auf die passende Gelegenheit. Wenn nicht bei dem
     Pfleger, dem Kioskmännchen und den Tauben – bei wem also wollten wir Eindruck schinden? Nichts ist erbärmlicher, als vor einem
     Losverkaufsstand auf dem Jahrmarkt zu stehen, dachte ich, und mit der Schuhspitze die Lottonieten in den Boden zu treten,
     man kommt gegen den Drang, sein Glück trotzdem zu versuchen, nicht an.
     
    |39| Unser Denker hat seine Stirn gefurcht, sagte Bluterguß, wahrscheinlich fördert er jetzt eine fürchterliche Wahrheit zutage.
    Müßt ihr noch lange hierbleiben? sagte ich.
    Länger als du, aber kürzer als die Todgeweihten, sagte Messer, Rippe, sei unbesorgt, wenn du an meine Tür klopfst, werde ich
     aus dem Fenster spähen und nur kurz darüber grübeln, ob ich dich hereinlasse.
    Ihr seid mir auch willkommen, sagte ich.
    Ich weiß ja nicht, sagte Leber, lohnt sich der lange Weg nach Deutschland?
    Du bist ein unsensibles Rind, sagte der Polizist, Rippe kämpft mit den Tränen, er hat uns in sein kaltes Herz geschlossen,
     und du sagst ihm ins Gesicht, daß du frierst.
    Ich brauche Rat, sagte Messer.
    Es geht selbstverständlich um eine Frau, stellte Leber fest.
    Die Frau, um die es tatsächlich geht, ist sehr vergeßlich, deshalb schreibt sie Merkworte auf den unteren Teil ihrer Handflächen.
     Ich habe Verständnis dafür. Sie unterstreicht die Merkworte und versieht sie mit mehreren Ausrufezeichen, ich meine, sie hat
     es sich in der Grundschule angewöhnt, sie nennt es das Prinzip der Spickhand …
    Aha, rief Bluterguß aus, du hast dich mit ihr unterhalten.
    Wir kennen uns, ja.
    Kommt sie aus einer guten Familie? sagte der Polizist.
    Das ist wohl zweitrangig, sagte Messer, viel wichtiger ist doch die Frage, ob sie … na gut, ich gebe meine Geschichte in groben
     Zügen wieder. Eines Tages, ich gehe friedlich herum …
    Schwer vorstellbar, unterbrach ihn der Polizist.
    |40| Ich gehe also durch die Straßen dieser Stadt, und da kommt sie mir entgegen, sie ist völlig damit beschäftigt, ihre Schrift
     auf der Handinnenfläche zu entziffern, und schaut nicht nach rechts und links und nicht geradeaus, es gibt zwar genug Platz
     auf dem Bürgersteig, ich denke aber kurz darüber nach, ob es eine gute Idee wäre, ihr eben nicht auszuweichen …
    Messer nahm einen großen Schluck Kaffee und trat nach den Tauben in der Nähe, doch sie umtippelten gurrend seinen Fuß.
    Und? sagte Leber.
    Es ist eine gute Idee, ihr nicht auszuweichen, wir stoßen also zusammen. Sie ist

Weitere Kostenlose Bücher