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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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sagte ich.
    Ich will nicht darin wohnen, sagte sie, ich will darin mit dir schlafen.
    Wir hätten noch lange in Erwartung der Liebesverschmelzung vorglühen können, hier unterm nachtblauen Himmel und in Gesellschaft
     der maßvollen Männer und der sommerschönen Frauen, selten fuhr ein Auto vorbei, und der Motorenlärm hallte in den Gassen nach,
     die Ampeln an den kleinen Kreuzungen waren auf Orange geschaltet, auf den Bordsteinkanten saßen die vor Hitze Verglühten und
     holten aus ihren Kühlboxen Bierflaschen hervor, Tyra legte einen Wattebausch auf den Tisch, und wir zählten bis drei und pusteten
     los, der Wattebausch verfing sich in meinen Brusthaaren, und als ich bei der verwunderten Kellnerin bezahlte und wir aufbrachen,
     flog das Bäuschchen bei der ersten leichten Brise davon.
     
    Ein Heiliger hat es zu seinen Lebzeiten nicht auf seine Heiligsprechung abgesehen, er steigt nur selten mit der Almosenschale
     in der Hand herab von seiner Einsiedelei, herab von einer Grotte, oder heraus aus dem Wald, und Gott scheint die Menschen
     zu schütteln kurz vor |366| seiner Ankunft, so daß sie ihn empfangen – sie stellen keine Fragen nach dem Ende der Welt, sie verärgern ihn nicht, damit
     er die Engel niederen Ranges nicht zu ihnen schickt, denn sie sind schreckhaft, wir sind schreckhaft und wollen nachts weder
     von einem guten noch von einem bösen Geist gerüttelt werden. Ein Heiliger hat es in der Hand, wem er sich ergibt, das Gute
     hat eine dunkle und eine helle Seite, und wenn ein Gottesmann oder eine Gottesfrau sich für die Dunkelheit der guten Kraft
     entscheidet, muß er oder sie immer bluten.
    Die Pflöcke haben die Handgelenke und die übereinandergelegten Fußgelenke des Herrn durchstoßen, und nicht wenige Gottesfrauen
     haben die Wundmale erhalten, es gibt Schwarzweißaufnahmen von heiligen Frauen, die aus Löchern bluten, aus Löchern im Handteller,
     das ist mir unerklärlich, weil Heiland Jesus nicht an den Händen, aber an den Handgelenken ans Kreuz geschlagen wurde. Du
     würdest diese Frauen für Betrüger halten, ich halte sie für hysterisch, im guten Sinne überdreht. Wenn man etwas Geheimes
     schaut, kann man nicht mehr daran denken, sich zu beherrschen, ein vernünftiges Gespräch mit einer derart Verrückten ist unmöglich.
     Ich habe es getan, in Neapel, meine Reise in diese Stadt war eine Wallfahrt, das weiß ich jetzt. Ich habe dir verschwiegen,
     daß ich mit einer Heiligen dieser Tage sprach, sie war unantastbar, man hat sie nicht in einen Verschlag gesteckt, sie konnte
     durch die kleinen Gassen gehen und an die Nachbartüren klopfen, man machte ihr auf und merkte sich jedes Wort, das sie sprach.
     Denn sie sprach. Nicht über die Unschuld. Nicht über das reinigende Fegefeuer. Nicht über Lohn und Strafe. Sie zankte keinen
     Sünder an. Sie ernährte sich fast nur von stichfestem Joghurt und frisch aufgebrühtem Tee.
    Sie erschien an einer Tankstelle und sagte einem |367| Mann, der seinen Wagen vollgetankt hatte: Du hast die Zapfpistole nicht ordentlich in den Tankstutzen gesteckt. Sie erschien
     bei einem Vogelliebhaber, zeigte auf die Wellensittiche im Käfig und sagte: Du hast sie bald soweit, sie werden dir auf die
     Schulter fliegen. Sie durfte alle Grundstücke passieren, sie konnte die Drahtzäune durchschneiden und durch das Loch schlüpfen,
     man tadelte sie nicht deswegen. Sie erschien bei einer alten Frau, die in einer Katakombe Splitter von einem Totenschädel
     kratzte, sie tauchte plötzlich an ihrer Seite auf und sagte: Ich bin heute dein Schatten, ich komme überallhin mit. Manchmal
     ließ sie es zu, daß man ein Stück Keks abbrach und es ihr reichte, sie blieb stehen und sah dem Mann oder der Frau in die
     Augen, bis sie den Keks aufgegessen hatte. Das meiste kenne ich nur vom Hörensagen. Einmal habe ich erlebt, wie sie zwei halbwüchsige
     Mädchen ansprach, sie waren gerade aus einer Parfümerie herausgetreten und beschnupperten sich gegenseitig die Handgelenke,
     die Heilige durfte auch schnuppern, der Ladenbesitzer schenkte ihr ein Parfümflakon. Man sagte mir: Sie hat ein großes Netz
     ausgeworfen, und wir sind zappelnde Fische darin. Noch einmal, sie prangerte nicht die Unfähigkeit der Menschen an, mit denen
     sie Tür an Tür lebte oder auf die sie bei ihren täglichen Streifzügen stieß. Du wirst einwenden, daß die heiligen Zeiten vergangen
     und uns die Heiligen ausgegangen sind und daß wir uns heute unsere Heiligen machen. Früher war es

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