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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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dachte er, daß er sich nicht mehr verstecken müßte
     in der Küche, er starrte Eli ungeniert an.
    Ist die junge Dame vergeben?
    Ich bin nicht in festen Händen, sagte Eli, aber ich habe mich in den Langen verliebt.
    Meinen herzlichen Glückwunsch.
    Danke, sagte Gabriel unnötigerweise.
    Ich bin ja Wirt. Ich kann ja nicht raus. Aber ich lese schon Zeitung.
    Ja, sagte Napp.
    Habt ihr was zu reklamieren?
    Wir sind noch gar nicht dazu gekommen, zu bestellen, sagte ich.
    Dann deklamier’ ich was, sagte der Wirt, gibt Kraft, was ihr bei mir eßt. Kasnocken würd’ ich nicht empfehlen, brauchts lange
     mit der Verdauung.
    Kochen Sie selber? sagte ich.
    Ich bin nicht Sie. Ich bin du. Ja, ich bin Wirt und Koch. Die Pakistanis sind billig, und sie kochen auch gut unsere Spezialitäten.
     Aber ich muß sparen, wo ich kann.
    Was können wir essen? sagte Gabriel.
    Um diese Zeit gibts Salat. Und es gibt Kuchen. Bin besoffen, großes Menü geht nicht.
    Dann nehmen wir alle Salat und Soda, sagte Eli.
    Salat und Soda, wiederholte der Wirt, er zählte uns mit dem Zeigefinger in der Luft zusammen, kam auf die Zahl Vier, sprach
     es aus und torkelte zurück ins Wirtshaus, keine zehn Minuten später trug er ein großes Tablett vor sich her, der Salat roch
     scharf nach weißem Rettich, er stellte uns auch eine Käseplatte auf |358| den Tisch, wir aßen den geraspelten Rettich und die Schimmelkäsescheiben, und als der Wirt zurückkam und abräumte, sagte er:
     Gut wars nicht, aber zuwenig, oder? Napp verwickelte ihn in ein Gespräch über Alraunmännchen, doch der Wirt zeigte sich nach
     kurzer Zeit nicht geneigt, Napps wirren Ausführungen weiter zu folgen. Eine große dunkle Wolkenzunge zog über die Burg, die
     ersten Regentropfen fielen auf das Blätterdach, unter dem wir saßen. Leises Donnergrollen in der Ferne. Tyra in irgendeinem
     Gotteshaus, in irgendeiner Gasse dort unten in der Stadt. Und ich vermißte sie. Im leichten Sommerregen gingen wir zurück
     zum Wagen, fuhren die engen Kurven hoch zum Kahlenberg, ich sah eine Hochzeitsgesellschaft vor einer kleinen Kirche, wegen
     einer Baustelle mußten wir auf eine Umleitungsstraße ausweichen. Ich vermißte sie. Sie duldete mich in Ausnahmefällen, sie
     hatte den Schutz des Himmels angenommen, deshalb wunderte es mich nicht, daß mein Mobiltelefon eine Textmitteilung meldete,
     und als ich die wenigen Zeilen las, bat ich Gabriel, den Ausflug sofort zu unterbrechen und zurückzukehren, er wollte mir
     schon widersprechen, doch als er mich ansah, forderte er uns auf, uns anzuschnallen, Napp fluchte hinten los, und ich vergaß
     meine Sehnsucht, ich nahm sie alle nicht mehr wahr, ich starrte auf die alten Mückenleichen auf der Windschutzscheibe, Elisabeth
     tippte mich leicht an, als ich aber nicht reagierte, legte sie ihren Kopf auf Gabriels Schulter und schlief ein.
     
    Man muß den Stoff mit dem Kirschfleck knüllen und eine Nacht in Milch tauchen. Ein Farbhauch bleibt an der Stelle, nach zweimal
     waschen ist die Farbe verhaucht.
    Das sind Blutflecken, sagte ich.
    Ja, sagte Tyra.
    |359| Was ist passiert?
    Ein Mann … er hat versucht, mich … Er hat mein Gesicht auf den Boden gedrückt, und ich fing an, aus der Nase zu bluten.
    Mein Gott.
    Er hat mir den Slip heruntergezogen. Es wäre passiert, wenn ihn nicht Spaziergänger dabei gestört hätten.
    Wo ist das passiert?
    In einem Park, sagte sie.
    In welchem Park?
    Ist doch egal! schrie sie.
    Hast du Anzeige erstattet?
    Nein, das geht niemanden etwas an. Dich nicht und die Polizei nicht. Der Kerl ist Hals über Kopf geflüchtet. Ich bin froh,
     daß ich unversehrt und noch am Leben bin.
    Es tut mir leid, Tyra, sagte ich, es tut mir wirklich sehr leid.
    Sie ließ sich von mir umarmen, nein, sie hielt mich fest, als wäre ich das Opfer eines verkommenen Mannes geworden, dieser
     Überfall hatte sie nur leicht verstört, und sie würde sich nicht aufhalten lassen. Ich durfte neben ihr sitzen und ihren Duft
     heimlich tief einatmen, es war ihr Wunsch gewesen, daß wir uns in der Spittelberggasse trafen, gegenüber war das ehemalige
     ›Stiftungshaus der Kleidermacher Wiens für deren Witwen und Waisen‹, und eine kleine Fontäne sprudelte aus dem Brunnen in
     der Nähe, hier war sie anderen Blicken ausgesetzt, nicht den Blicken der Madonnenstatuen und Heiligenfiguren auf Marmorsockeln.
     Sie hatte ihre Zitronenspaghetti mit Minze nicht angerührt, ich bat sie etwas zu essen, doch nach zwei Bissen legte sie die
     Gabel weg,

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