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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Herbst – war ich froh, durch entlaubte Bäume zu spähen? Ich stand am Fenster im zweiten Stock, mal schaute ich hinab auf die herabgewehten Zweige
     auf der Straße, mal drehte ich mich um und ließ den Blick ruhen auf dem verdreckten Teppichboden, der Teleskoplampe mit den
     verbogenen Blechbeinen, den ordentlich gestapelten Pullovern in der großen durchsichtigen Stofftasche und dem Haufen von Turnschuhen
     in einer Ecke des Raumes, in der ich mich höchstens eine Viertelstunde aufhielt, immer dann, wenn ich hinuntersah: auf den
     Mann, der umständlich herausstieg aus seinem Alfa Romeo und sein Auto mit einer Lenkradkralle sicherte, die Passanten musterte,
     weil er ihnen nicht traute, und sein Mißtrauen brachte ihn manchmal dazu, in der Bäckerei schräg gegenüber Kaffee zu trinken,
     um endlich den Mann zu fassen, der es auf seinen teuren Wagen abgesehen hatte. Jetzt aber wich er von seiner Gewohnheit ab,
     er ging schnellen Schrittes und mit gezücktem Schlüssel zur Haustür, seine Frau im vierten Stock hatte bestimmt auf Vorrat
     einen Schluck aus der Wodkaflasche im Kühlschrank getrunken, und ich hörte ihren Mann langsam die Treppen hochkommen.
    Ich war also wieder zurück. War ich froh über den Unrat, der mich umgab? Ich kam mir vor wie ein Hund, der an den Rockschößen
     fremder Menschen schnüffelt, auch mein Schlafzimmer war nichts weiter als ein Aufenthaltsort für die Stunden des Schlafes,
     die japanische Matratze lehnte eingerollt an der Wand, auf den Fernseher |57| und die niedrigen Bücherregale hatte sich dicker Staub gelegt. Ich berührte die Buchrücken, ich berührte das kalte Glas der
     Lavalampe, in die sie, meine gewesene Freundin, immerzu starren mußte, ich glaubte an eine Art Schweigemeditation, doch sie
     zog sich, wie sie sagte, nur in den Schutz des Schattens zurück, den sie herbeibeschwor mit blicklosen Augen. Es war alles
     ganz einfach, es hatte alles einen Grund, es ging alles schneller, als ich dachte. Das Telefonbuch vom Vorjahr lag aufgeschlagen
     neben dem Telefon, und auch wenn ich die Namen auf beiden Seiten durchging, ich stieß auf keine vertraute Telefonnummer, oben
     rechts hatte ich Spiralen gezeichnet, wahrscheinlich während eines Gesprächs mit der Frau, die mir nicht länger vorhalten
     würde, daß ich sie in meine großen Pläne nicht einweihte. Genau. Was für Pläne? dachte ich, schön wär’s, ich konnte nur das
     wissen, woran ich mich erinnerte, und wenn ich über die nächste Zeit sprach, sagte ich: Ich ahne, ich glaube, ich sehe vage
     etwas auf mich zukommen. Keine stabile Grundlage, hatte sie im Zorn ausgerufen, und ich hatte sofort an Architektur denken
     müssen. Vorbei war vorbei. Ich ging in die Küche und spülte die Kaffeetassen mit kaltem Wasser ab, der Siphon war verstopft,
     das Wasser sammelte sich im Becken und lief nur langsam ab. Auch hier in der Küche hatte sich der Teppichboden von der Sockelleiste
     gelöst, ich versuchte, mit dem Fuß die Wellen herauszustreichen, sie bewegten sich wie Luftblasen von einer Leiste zur anderen
     und wieder zurück. Ich wurde wütend und hebelte in der nächsten halben Stunde die Leisten mit der Hammerklaue weg, dann trug
     ich Tisch und Stühle in den Flur und zog wütend den Teppichboden ab, es kamen morsche Dielenbretter zum Vorschein, in den
     Spalten hatten sich Krümel angesammelt. Nach einer weiteren Stunde gab ich mich geschlagen, mein Eifer, |58| gleich mit meinem alten Bestand aufzuräumen, hatte zu neuer Unordnung geführt. Ich trank meinen Kaffee, und in dem Moment,
     da mir die Lider schwer wurden, klingelte es an meiner Tür, ich schloß ihr auf, natürlich mußte es dazu kommen, natürlich
     brauchte es einen zugangsberechtigten Schaulustigen, der mein Elend besah, aber nicht bestaunte. Ich stand schweigend in der
     Tür, und sie stahl sich eng an mir vorbei, ich roch ihren neuen Duft – Lavendel? Zimt? Morgenfrische? – und wagte aber nicht,
     ihr ein Kompliment zu machen, was hätte es schon bewirkt, sie war mir immer noch ein gebetener Gast.
    Ich habe wieder und wieder bei dir geklingelt, sagte sie, und sie sagte es in diesem Ton, der mich früher sofort besänftigt
     hätte, früher hätte ich nach ihrem Eröffnungssatz umstandslos die kurze Distanz zwischen uns überbrückt, und sie hätte mir
     einen langen Kuß erlaubt. Kein Kuß. Keine Berührung.
    Ich war weg, sagte ich, ich kann dir leider nur Pulverkaffee anbieten.
    Sie gab keine Antwort, schüttelte nur lächelnd den

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