Liebesbrand
Kopf, selbstverständlich wollte sie nicht zwischen der hochkant gestellten
Teppichbodenrolle und der Arbeitsfläche sitzen, auf der die Tassen trockneten. Ich folgte ihr in mein offizielles Wohnzimmer,
sie nahm auf dem Sofa Platz und drückte das große Kissen auf der Seitenlehne platt. Jetzt durfte ich mich nicht ans Fenster
stellen und hinausstarren, jetzt mußte ich einfach warten.
Du siehst schlecht aus, sagte sie.
Dort, wo ich war, ist Spätsommer, sagte ich, hier ist Herbst.
Nein, wir haben schon Winter.
Wieso? sagte ich unnötigerweise, und sie zählte, wie so oft, die Jahreszeiten auf, Frühling, Sommer, Herbst, |59| Winter, ich vertat mich in der Reihenfolge, einer meiner Fehler, die sie mir verzieh, ich konnte, da sie sprach, nicht den
Blick abwenden, und mir fiel auf, daß sie sich geschminkt hatte, wie albern, zu hoffen, wie schlecht, zu glauben, es könnte
mit ihrem Besuch bei mir zusammenhängen.
Es ist gut, daß du danach abgereist bist.
Wonach?
Fragst du, um Zeit zu gewinnen? sagte sie und lehnte sich vor.
Nein.
Wir haben uns gestritten.
Ich finde es nett, daß du mich besuchst, sagte ich, aber …
Ich kann auch gleich gehen, sagte sie, und da sie Anstalten machte, aufzustehen, bat ich sie, zu bleiben, bleib’ doch bitte
sitzen, sagte ich, ich bin ein schlechter Heimwerker, gab ich zu, und ich beteuerte ihr meine Unlust, den Unrat in Müllsäcke
zu stopfen, nicht heute abend und nicht vor morgen mittag, ich haßte mich für meine Worte, immerzu äußerte ich eine vertretbare
Meinung, man konnte fast immer davon ausgehen, daß ich kein Flegel war, der einen Hustenbonbon im Mund in Gegenwart einer
Frau laut zermalmt. Sie griff in ihre Tasche und zog vor meinen Augen ihre Lippenkontur nach, dabei blickte sie sehr konzentriert
in ihren Handspiegel. Ich dachte, daß ich zu den Männern gehörte, die nach jedem Gang zur Toilette ihre Schuhspitzen auf verdächtige
Tropfen prüfen, die Details verrieten den Mann, doch ich stand vor ihr in diesem weißen Bräutigamhemd ohne Manschettenknöpfe,
in dieser Hose ohne Gürtel, und bestimmt war ihr mein Kragenschmutz aufgefallen, bestimmt hatte sie nach einem kurzen flüchtigen
Blick festgestellt, daß die dünnen Strümpfe nicht zur Jahreszeit paßten und daß ich also |60| viel zu dünn gekleidet war und mir morgen oder übermorgen die Nase laufen würde, auf die Details achten die Frauen, und wenn
sie, die jetzt Lippenkonturstift und Handspiegel in ihrer Tasche verstaute, alle Details zusammennahm, entstand das Bild eines
hoffnungslosen Mannes.
Es ist deine Wohnung, sagte sie, aber willst du dich nicht setzen? Oder stehst du, weil ich dir deine Zeit stehle?
Nein, gut, sagte ich und ließ mich sofort auf dem Boden nieder.
Wir haben uns also getrennt, sagte sie.
Das ist wahr.
Sie bat um ein Glas Wasser, und als ich zurückkam und ihr das Glas reichte, nahm sie es mit der einen Hand entgegen, mit der
anderen Hand zog sie mich sanft auf den Platz neben ihr, ich ließ mich aufs Sofa fallen, ich ließ es zu, daß sie mir ihre
Hand auf die Wange legte, ich konnte sie aber unmöglich küssen, ich konnte sie unmöglich berühren.
Du warst weg, und ich war frei, sagte sie, ich habe es genossen.
Das glaube ich dir.
Sei mir nicht böse, fuhr sie fort, wir kommen nicht mehr miteinander aus, ich rege dich zu sehr auf.
Und du ärgerst dich über mich, sagte ich.
Hast du eine neue Freundin?
Das dauert doch immer seine Zeit, sagte ich.
Bei uns beiden hat es ein Dreivierteljahr gedauert, sagte sie, du hast mich dann sehr schnell eingesponnen.
So kannte ich sie, sie sprach die Dinge aus, was wollte sie sich auch aufhalten auf Nebenstrecken, sie nahm die Hauptstraße
und preschte vor. Tatsächlich hatte es mir große Mühe bereitet, sie davon zu überzeugen, daß ihr |61| kein Unglück widerfuhr, wenn sie in meinen Armen lag, an ihre Röte im Dekolleté nach dem ersten Kuß konnte ich mich erinnern.
Ich drückte mich hoch, und weil sie darum bat, nahm ich ihr das leere Glas ab, füllte es bis zum Rand mit Wasser und trank,
ohne die Lippen aufzusetzen, ein paar Schlucke. Sie war mir gefolgt und hatte mich dabei ertappt, ich füllte ein neues Glas
und reichte es ihr.
Ich bin hier, sagte sie, weil ich dich fragen will, ob wir es dabei belassen. Wir sind zwar kein Paar mehr, aber wir können
trotzdem miteinander schlafen.
Ich nahm sie sofort bei der Hand, sie war gekommen, um mir eine schöne Nacht zu schenken,
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