Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
Vom Netzwerk:
in seinen Sack stopfte. Bei seinem letzten Einbruch wären
     die Hausherren aufgewacht, sie hätten den nackten Einbrecher windelweich geprügelt, um anschließend den geknebelten Kriminellen
     der Polizei zu überantworten. Messer klatschte demonstrativ Beifall, und auch wenn ich glaubte, daß er unkoscheren Geschäften
     nachging, wußte ich, daß er sich an die ungeschriebenen Gesetze seines Handwerks hielt. Ein Einbrecher hatte sich nicht nackt
     in fremden Wohnungen herumzutreiben, genauso wie es verwerflich war, alten Frauen die Handtasche zu entreißen. Doch die neue
     Generation der Schurken hielt die Polizei auf Trab, unser Gastgeber hatte sogar Mitleid mit den Streifenpolizisten, die hierhin
     und dorthin rannten und den Passanten zubrüllten, sie möchten doch dem flüchtenden Taschendieb ein Bein stellen. Messer wollte
     eine spontane Zusammenarbeit mit der Polizei nicht grundsätzlich ausschließen, ihr aber auch nicht die Arbeit abnehmen. Ein
     Topf fiel in der Küche scheppernd zu Boden, für Leber war es das Zeichen zum Aufbruch, zum Abschied gab unser Gastgeber Regeln
     der Liebe ohne Kopfschmerzen zum besten. Ich bedankte mich, Leber, Bluterguß und Messer bedankten sich, wir stiegen die Treppen
     hinunter, schauten hoch, aber der Mann ließ sich nicht auf dem Balkon sehen, statt dessen blickte die Frau heimlich durch
     ein Loch im Gardinentüll herunter. Ich war müde, und hätte ich mich vor den anderen nicht geschämt, wäre ich in ein Taxi gestiegen.
     Wir traten den Rückweg an, jeder war allein mit seinen Gedanken. Es herrschte im Krankensaal rund um die Uhr ein Kommen und
     Gehen, vielleicht konnte ich trotzdem einige wenige Stunden schlafen. Als Kind streute ich Pfeffer ins Kerzenlicht, kleine
     Glühwürmchen umschwirrten einen |49| Wimpernschlag lang das Feuer, und es machte mich glücklich. Ich nahm mir vor, beim Einschlafen daran zu denken.
     
    Ich schätzte Ordnung. Ordentliche Menschen suchten die Wildnis nicht auf, dort gab es nichts, was sie in ihrer Gelassenheit
     bestärkte – sie blickten in erdfarbenbemalte Holzfratzen, sie schauten den Eingeborenen bei Hüpfprozessionen zu, um am Ende
     des Tages in ihrem Hotelzimmer zu liegen und auf einen glücklichen Ausgang ihres Abenteuerurlaubs zu hoffen. Der Menschenfreund
     neigte zum Leichtsinn in der Wildnis, und die Wildnis fraß ihn auf. Hier, in diesem Land und in diesem Krankenhaus, flehten
     die Menschen geradezu darum, übertölpelt zu werden, und sie mußten nicht lange bitten, ihr größter Wunsch wurde wahr: Man
     gab ihnen die Spritze, und man nahm ihnen das Geld, und die Seele, da hatte Bluterguß unrecht, war mehr als nur der faule
     Zahn, der gezogen wird, und mehr als die spröden Lippen, die aufplatzten, wenn man zu oft und zu heftig küßte.
    Ich schaute den dicken Putzfrauen zu, wie sie die nassen Feudel auswrangen und vom gestauchten Lappen Haarknäuel zupften –
     sie ließen sich Zeit und sahen sich heimlich nach dem Pfleger um, der mit seiner halben Seele und seinem viertel Hirn Karriere
     gemacht hatte – mehr wollte er nicht erwarten. Er war ledig, er konnte das Geld für den Freikauf einer Tochter von ihrem Vater
     nicht aufbringen, er war nicht unglücklich, er betrieb kleine schäbige Geschäfte, und zwischendurch stellte er seinen mitgebrachten
     Schemel an die Wand im Heizkeller, das Kinn fiel ihm auf die Brust, und er schlief den Schlaf des Tölpels, das Herz wurde
     ihm leicht, und er träumte vielleicht von drei Schüsseln Pflaumenkompott, die er ungestört auslöffelte. Die Putzfrauen waren |50| von ihren Männern betrogen, verlassen oder vom Hof gejagt worden, und nun suchten sie nach einem Mann, der das passende Sternzeichen
     hatte. Sie beide waren im September geboren, der Pfleger im Dezember, Jungfrau und Schütze paßten gut zusammen, sie hatten
     eine befreundete Hobbyastrologin befragt, die ihnen riet, keine Zeit mit Zermürbungskriegen zu vergeuden. Was taten sie? Sie
     befolgten ihren Rat, gingen schnurstracks zum Pfleger, eröffneten ihm, er könnte seine Hand mal auf jene Brust, mal auf jenen
     Hintern legen und ruhig die Grenzen des Anstands überschreiten, die es für sie, die liebeshungrigen Hygieneangestellten, nicht
     mehr gab – im Gegenzug sollte er sie mit netten Komplimenten überhäufen. Was tat der Pfleger? Er legte seine Hand mal auf
     jenen Hintern, mal auf diese Brust und nannte sie ›meine süßen Wollmäuse‹. In der Wildnis kommen also Mann und Frauen zusammen,
    

Weitere Kostenlose Bücher