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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Szene seine Frau ihm alle Schuld zuwies, schien es so, als befände er sich in einem Zustand der Versenkung.
     Er hatte sich abgefunden mit dem Schiedsspruch, den der Richter am Ende der Sitzung verkünden würde.
    Würdest du eine Frau … eine Person, die solche Karten verschickt, als unbedenklich einstufen?
    Jetzt fiel es mir wieder ein, der Friedhofsgärtner war ein abtrainierter Linkshänder und ein abgebrochener Student, ich wußte
     nicht, welches Fach er wie viele Semester studiert hatte, jedenfalls hatte er die Fähigkeit erworben, keine Formulierungsschwäche
     zu zeigen.
    |74| Wenn man Hufgetrappel vorm Fenster hört, dann ist es eher ein Pferd als ein Zebra, sagte ich.
    Gut, weiter, sagte er.
    In beiden Miniaturen sehen wir, daß der Beischlaf unmöglich geworden ist. Ob Impotenz oder der wildgewordene Widder, es kommt
     nicht oder nicht mehr zu einer Vereinigung.
    Sex? hakte er nach.
    Mehr als das, sagte ich, mehr als nur zwei miteinander verschränkte Körper.
    Du bist der Orientale, sagte er, du mußt es wissen.
    Ich habe keine Ahnung … Ich betrachte diese pornographischen Bilder und deute sie.
    Es geht doch um Sex, beharrte er, und es quält mich.
    Was denn? sagte ich.
    Er trank schweigend seinen Kaffee aus, steckte sich die nächste Zigarette an – wenn du wüßtest, welche Phantasie hinter diesen
     Aquarellbildchen steckt, dachte ich, wenn ich dir verriete, daß diese Miniaturen viele andere Geheimnisse preisgeben, dann
     würdest du nicht mehr in Ruhe deiner Arbeit nachgehen können, du wärest gezeichnet, du hättest die messerscharfe Grenzlinie
     überschritten und gehörtest nicht länger zu den Männern, denen es genügt, von den einfachen Geboten und Verboten zu wissen;
     du würdest dann auch von den feindseligen Blicken der Frauen nicht länger verstört sein.
    Es bleibt unter uns? sagte er.
    Natürlich.
    Es ist meine Cousine, die mir diese beiden Karten geschickt hat. Sie war immer etwas verrückt, und manchmal sogar überverrückt
     …
    Überverrückt?
    Genau, sagte er, sie machte dann keinen Lärm, sie schrie nicht oder ging auf die Leute los. Sie blieb ruhig, |75| sprach leise ein paar Sätze, und alle liefen knallrot an und ergriffen die Flucht. Ihre Mutter hat es mit gelegentlichen Ohrfeigen
     versucht, aber es half nicht, ihr die Unanständigkeit auszutreiben. Sie erzählte mir, daß sie mit vierzehn Jahren ihre Jungfräulichkeit
     verloren hat, sie erzählte es mir in allen Details … Ich meine, was geht es mich an?
    Gute Einstellung, sagte ich.
    Was?
    Du hast eine Vorstellung davon, was deine Cousine für sich behalten sollte und was nicht … Was redete ich da, wie konnte ich
     nur solche Lehrsätze von mir geben, aber der Friedhofsgärtner achtete nicht weiter auf mich, er hatte in mir endlich einen
     Zuhörer gefunden, und er würde vielleicht später, wenn er mit der Spitzhacke die frostharte Erde aufbrach und das zähe Kraut
     zu Füßen der Grabsteine rupfte, plötzlich innehalten, er würde sich an meine Worte erinnern und den Kopf schütteln. Aber nein,
     er schüttelte jetzt den Kopf.
    Sie hat mir sogar kleine harmlose Doktorspiele angeboten, ich lehnte natürlich ab, nicht weil ich ein hochanständiger Kerl
     bin. Ich hatte schlichtweg Angst. Man konnte bei ihr ja nie wissen. Ich stellte mir vor, wie ich Weihnachten mit meinen Onkeln
     und Tanten und Eltern am Tisch sitze und sie mitten in der harmlosen Unterhaltung sagt: Übrigens, mein Cousin ist mir an die
     Wäsche gegangen. Sie hat es immer verstanden, zur richtigen Unzeit die Bombe platzen zu lassen.
    Ich verstehe, sagte ich.
    Ach, wirklich?
    Ehrlich gesagt, nein.
    Es hätte mich auch gewundert, sagte er, es stimmt schon, sie ist ein verwöhntes Kind, aber im Gegensatz zu allen anderen Heuchlern
     in meiner Familie hat sie immer die Wahrheit gesagt.
    |76| Die Wahrheit? sagte ich aufgebracht, was meinst du eigentlich mit der verdammten Wahrheit? Sie schickt dir diese läppischen
     Karten, vielleicht macht sie sich über dich lustig, vielleicht sagt sie dir durch die Blume, daß du impotent bist. Sagt sie
     die Wahrheit?
    Ich wußte, ich war zu weit gegangen. Nur, ich konnte es nicht mehr ertragen, daß man Männer und Frauen, die sich zusammenrissen
     und ihre Magendarmprobleme nicht öffentlich debattierten, als Sexreaktionäre beschimpfte, die Gebärmutter war nicht einfach
     nur ein Gegenstand des öffentlichen Interesses, und das männliche Genital sollte der Mann doch bitteschön vor allen unbefugten
    

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