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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Suchen, die Stadt Nienburg, am Fluß Weser gelegen, ich las die Namen der benachbarten Städtchen
     laut vor, Verden an der Aller, Neustadt am Rübenberge, die Namen sagten mir nichts, ich starrte auf die Karte, in der unsinnigen
     Hoffnung, irgendwelche Zeichen zu finden. Es klingelte an der Tür, und natürlich, es war der nicht ernstzunehmende Gegner.
    Wenn das nicht sofort aufhört, breche ich dir die Knochen, sagte er.
    Wenn was nicht aufhört?
    Der verdammte Krach. Als du weg warst, hatten wir unsere Ruhe. Kaum bist du da, störst du unsere Nachtruhe.
    Ruf die Polizei an, sagte ich, und sag’ ihnen gleich, daß du nebenbei mit Hasch handelst.
    Paß bloß auf, sagte er und ging mit dem Zeigefinger über den Hals, ich hatte es satt, daß die Idioten dieser Zeit sich verhielten
     wie Halbwüchsige, ich schloß einfach wieder die Tür zu und ging ins Bett. Aus alter Gewohnheit stellte ich den Wecker auf
     zehn Uhr morgens.
     
    Ich träumte ein Märchen: Es lebte vor langer Zeit eine Frau, die sich weigerte, ihr Gesicht zu waschen, denn |67| die Männer wandten sich ab, wenn sie sie ansprach. Sie legten höchsten Wert darauf, einen Abstand von einem großen Schritt
     einzulegen, sollte es unvermeidbar sein, mit ihr Geschäfte zu machen. Sie handelte mit Halsketten, Ohrringen und Armreifen,
     sie war nach dem Tod ihres Mannes vor acht Jahren melancholisch geworden, sie sagte ihrer Nachbarin, sie wäre ein erloschener
     Stern, und mit diesem ihrem Gesicht würde sie nicht einmal Gedichte schreiben können. Also verlegte sie sich auf die Schönheit
     des Schmucks, die Frauen faßten schnell Vertrauen zu ihr, sie mußten ja nicht befürchten, daß sie ihre Männer betörte. Sie,
     die Ehemänner, klopften an ihre Tür, traten nicht über die Schwelle des Hauses, nahmen das Schmuckstück in Empfang und gaben
     ihr das Geld. Eines Nachts erschien der Frau ihr Mann oder vielmehr seine Seele im Traum, und die Seele verriet ihr ein Geheimnis:
     Sie sollte sieben weiße Rosen mit ihrem eigenen Blut tränken und die Rosenblätter auf ihre Schwelle legen. Am nächsten Morgen
     besorgte sie sich sieben weiße Rosen, schnitt sich in den Handballen und ließ ihr Blut auf die Rosenblätter tropfen. Ein Spiegel
     hing in der Nähe, und so konnte sie die Verwandlung erleben, sie war starr vor Angst, blickte aber in den Spiegel, in dem
     ihr Gesicht aufquoll, um in sich zusammenzufallen, ihre spitze Nase mit den dauergeblähten Nüstern brach in der Mitte ab,
     und das nunmehr nutzlose Stück fiel zu Boden und zersprang wie Glas in tausend Splitter. Und es wuchsen ihr endlich die langen
     Wimpern, die sie sich immer gewünscht hatte, die Schatten in ihrem Gesicht verschwanden, sie konnte die Augen schließen, ohne
     daß sie in den dunklen Teich abtauchte und auf Grund stieß. Sie schaute ihrer Verwandlung zu, und sie wunderte sich, daß sie
     nicht darüber verrückt wurde, sie verlor nur für einige Sekunden die Beherrschung und zerkratzte sich mit den langen |68| Fingernägeln das Gesicht, das jetzt viele kleine Schnitte aufwies, aus denen nicht Blut, aber Wasser sickerte. Sie blieb reglos
     sitzen, sie erholte sich von dem Traum, den die Seele ihres Mannes hatte wahr werden lassen, und der Traum schloß sie ein,
     bis es an der Tür klopfte und sie den Mann hereinbat. Es verstrichen Minuten, in denen er sie musterte, sie war es, sie war
     es nicht, doch dann faßte er Mut und kam näher, das erste Mal seit dem Tod ihres Mannes, daß ein Mann die unsichtbare Sperre
     durchbrach. Was ist mit dir geschehen? sagte er leise, und sie ließ es zu, daß er ihr neues schönes Gesicht mit seinen verschwielten
     Händen umschloß, welcher Zauber hat da gewirkt? Sie drückte ihn weg und genoß es, hätte sie es gewollt, hätte dieser Mann
     sich vergessen, sie wußte um ihre Wirkung. Hier ist die Halskette deiner Frau, sagte sie, ich muß einen Aufpreis verlangen,
     weil die Steine teurer sind als vermutet, und der Mann murrte und feilschte nicht, er griff in die Hosentasche und streckte
     ihr sein ganzes Geld hin. Sie nahm alles, darin bestand ihr Zauber, sie lehnte das Viertel oder die Hälfte ab, man gab ihr
     alles. Den ganzen Tag kamen und gingen Männer, es hatte sich mittlerweile herumgesprochen, daß ein Wunder das Schmuckweib
     verwandelt hätte – hier ein Läppchen, da ein Läppchen, gibt zuletzt ein Kinderkäppchen, spotteten die Ungläubigen, und sie
     kamen vor dem Haus der Schönverwandelten zusammen und sangen das

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