Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
Vom Netzwerk:
hatte er mich nicht aufgefordert, kein Aufhebens zu machen, als ich ihn auf
     seine harmlosen Lügen ansprach?
    |79| Zu Hause räumte ich meine Einkäufe in den Kühlschrank, dann räumte ich den Flur frei und schrieb einen kurzen Brief an den
     Polizisten. Ich versicherte ihm, daß es mir gutginge und daß ich ihm das nächste Mal mehrere Bergansichtskarten schicken wollte.
     Die Kälte nistete sich in meinen Gliedern, die Rippenschmerzen ließen langsam nach. Wo bist du, Nienburgerin? dachte ich,
     wo bist du in genau diesem Augenblick, ich habe angefangen, mich nach dir zu sehnen, ich weiß, es ist dumm, aber deine Hände.
     Aber dein besonderer Ring. Aber deine Stimme. Dein Geschäftsfrauenkostüm. Du hast mich vielleicht längst aus deinem Gedächtnis
     verbannt, und wenn ich vor dir stünde und dir sagte, Gott hat an meiner Schulter gerüttelt, würdest du mich für verrückt halten?
     Wäre ich in deinen Augen zu einem impertinenten Fremden herabgesunken? Ich würde sehr gerne maßlos sein. Ich würde mit dir
     durch stille Gassen streifen und zum Himmel deiner Stadt aufschauen, falls nötig auch an einem Sonntag, dem Tag, der mich
     fast umbringt, an dem ich zum Himmel aufblicke und denke: Da ist nichts, was mir gehört, sogar an diesem Ruhetag würde ich
     das Unannehmbare tun und mit dir durch eine kleinstädtische Flaniermeile der Bürger gehen, ich würde so laut sprechen wie
     die am Ruhetag rastlosen Angestelltenmänner, die sich am Kuchen ihrer Frauen und Kinder vergreifen, die ihre karierten Hemden
     über den Bauch immer wieder bauschen, damit die Längsfalten den Bauch kaschieren. Aber karierte Hemden stehen mir nicht. Wo
     bist du nur? Ich würde dir zuliebe an einem Sonntag sogar in ein Naturkundemuseum gehen, ein Alptraum, ich würde mich der
     Prozession der Großmütter und ihrer Enkelkinder, der Väter mit eingeschränktem Besuchsrecht, ihrer fünf- bis achtjährigen
     Töchter mit pastellbonbonfarbenen Mützen, der gehetzten schönen Mütter, der alten Männer |80| ohne festes Programm … dieser Prozession würde ich mich anschließen, und wenn du nach Luft schnapptest ob des Anblicks dieser
     kleinen Herde, würde ich dich schnell nach draußen begleiten, denn die Museen sind Totenkammern, und ich würde auf unserer
     Flucht vor der Herde eine Brandrede halten … Wieso hatte ich angefangen, mich zu sehnen?
    Ich knackte eine ganze Tüte Pistazien und trank Karottensaft, dann stand ich auf, suchte nach der Zigarettenschachtel und
     steckte mir eine Zigarette an, zum Teufel mit meiner Gesundheit, ich hatte es tagelang ohne Tabak ausgehalten, jetzt wurde
     es Zeit, zum alten öden Leben zurückzufinden.
    Wenig später betrat ich das Kaffeehaus, und ich hatte gleich ein gutes Gefühl, die Musik lief leise, Malwin, der Wirt, arbeitete
     allein, und fast alle Tische waren besetzt. Am Panoramafenster saß die Reiseagenturchefin, sie bat mich an ihren Tisch, ihr
     Mann war sichtlich unangenehm berührt, als er von der Toilette zurückkam und mich auf seinem Stuhl sitzen sah, er schob einen
     Stuhl neben seine Frau und blinzelte mich an. Offensichtlich erwartete er, daß ich ein Gesprächsthema vorgab.
    Papageien können steinalt werden, sagte ich, ich habe gehört oder gelesen, daß der Papagei von Churchill noch lebt.
    Kann sein, sagte er und drehte sich nach seiner Frau um, er sah sie fragend an. Sie konnte sich keine Reaktion erlauben, ich
     war schließlich ein Stammkunde. Ich begab mich zum Tresen, um die Bestellung aufzugeben, ein großes Glas Mineralwasser, sagte
     ich, und als Malwin die rechte Braue hob, sprach ich von dem zähen Grippevirus und davon, daß ich mich wenigstens an den Abenden
     schonen wollte. Ich kehrte zurück, die beiden hatten in der Zwischenzeit ein paar hastige Worte |81| gewechselt, und wahrscheinlich würden sie anstandshalber eine halbe Stunde sitzenbleiben, um danach ein anderes Café aufzusuchen.
    Ich störe euch, sagte ich.
    Nur ein bißchen, sagte der Mann und wurde mir schlagartig sympathisch, ich an seiner Stelle hätte jeden Ruhestörer abgewiesen.
    Wir haben darüber gestritten, ob es wirklich eine so gute Idee ist, beim Griechen zu essen.
    Ich habe reserviert, sagte ihr Mann bestimmt, ich kann aber anrufen und die Reservierung stornieren.
    Die einen behaupten, die griechische Küche sei die schlechteste der Welt, sagte ich, andererseits schwört ein Freund von mir
     auf Lammbraten mit Metaxasoße.
    Und es ging hin und her, der Mann erzählte, er hätte im

Weitere Kostenlose Bücher