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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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verhüllte nur knapp meinen Oberkörper
     – ich sah aus wie ein Opfer, und ich schämte mich dafür. Schließlich entließ mich der Polizist, nicht ohne vorher meine Personalien
     aufgenommen zu haben, ich schlurfte dem Pfleger hinterher, eine Putzfrau war dabei, den Linoleumboden im Flur zu wischen,
     sie erstarrte in ihrer Bewegung, als wir auf gleicher Höhe waren, und ich umschritt den nassen Feudel, bog in den Hauptgang
     ab und fiel dem Pfleger nicht ins Wort, als er dem diensthabenden Arzt langatmig erklärte, daß er ›den Überlebenden Nummer
     zwei‹ dem Herrn Doktor übergab. Dann ging er davon.
    Sie müssen den Mann entschuldigen, sagte der Arzt, er ist etwas wunderlich, aber er tut seine Arbeit, er wird schlecht dafür
     bezahlt … wie wir alle hier, die wir unsere verdammte Arbeit tun.
    |18| Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er mir die Decke ab, beschaute meine Wunden und die Schnittverletzungen im Gesicht, und
     als er mir an die rechte Seite griff, stöhnte ich auf. Drei bis vier gesplitterte oder gebrochene Rippen, sagte er, wir werden
     Sie röntgen, die Fleischwunde am Rücken sieht übel aus, ich nähe sie am besten. Ich saß auf der Pritsche, und trotz der örtlichen
     Betäubung fühlte ich jeden Nadelstich ins Fleisch, gelobt sei, was hart macht, rief der Arzt lachend aus, was hätte es ihm
     auch eingebracht, wenn er Mitleid bezeugt hätte, er reparierte den Schaden, und mich verließen langsam die Kräfte.
    Der Pfleger nahm mich wieder in Empfang, ich ließ mich von ihm führen, ich ließ mich röntgen, ich ließ mir eine Tetanusspritze
     geben, und als ich im Flur neben ihm herging, sagte ich zu ihm: Ich brauche ein Hemd und eine Jacke, du siehst mir so aus,
     als würdest du wissen, wie man für Überfluß sorgt, wenn Knappheit herrscht. Ich klaubte einen Geldschein aus der Hosentasche
     und steckte ihn dem Pfleger zu, der keine Anstalten machte, seine Unbestechlichkeit zu demonstrieren. Er musterte mich kurz
     vom Scheitel bis zur Sohle, wahrscheinlich schätzte er meine Konfektionsgröße.
    In einer Stunde, sagte er, grundsätzlich gilt: Ich erfülle jeden Wunsch, aber nichts Ungesetzliches und nichts Unmoralisches.
    Sei unbesorgt, sagte ich, wir sind außerdem nicht im Gefängnis.
    Er mußte darüber lange und laut lachen, am liebsten hätte ich ihn gegen die Wand gestoßen, doch ich hatte wahrscheinlich drei
     oder vier gebrochene Rippen, das Atmen fiel mir schwer, ich war hier auf mich allein gestellt und brauchte diesen dienstbaren
     Geist. Er stieß eine Tür auf, sie öffnete sich auf einen großen Saal mit Betten, in denen Männer oder Frauen lagen, mein Blick |19| fiel auf eine schamhafte Frau, sie hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und ihre Achselhöhlen mit weinroten Papierservietten
     bedeckt. Der Pfleger wies mir das freie Bett links neben der Tür zu und bat mich, einfach zu liegen und zu warten: auf ihn,
     auf das Essen, auf die Visite des Chefs der Station, auf meinen Schutzengel, der sich die zerrupften Flügel richten und putzen
     müßte, und erst dann würde er sich wieder auf meiner rechten unverletzten Schulter niederlassen. Was ist mit der linken Schulter?
     rief die schamhafte Frau ihm nach, ist die Stelle auch unbesetzt, oder hat der persönliche Teufel, der für die Schäden im
     Leben zuständig ist, zur Belohnung frei? Einige Männer im Saal lachten auf, die Frauen blieben still, sie waren damit beschäftigt,
     zu prüfen, ob sich ihr Körper unter der Decke auf eine unziemliche Weise abzeichnete. Ich entrichtete meinen Gruß, die Männer
     grüßten zurück, und ich schlüpfte schnell unter die Bettdecke und zog sie bis zur Nase hoch, mir war kalt, ich fror am ganzen
     Körper. Im benachbarten Bett hockte ein Mann mit angezogenen Beinen, er hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Pantoffeln
     abzustreifen, er harrte in dieser Haltung aus wie erstarrt, um sich mir leicht zuzuwenden, Friede den Kommenden, Freude den
     Bleibenden und Segen den Scheidenden, sagte er, willst du eine kostenlose Führung durch das Krankenhaus, willst du deine Ruhe,
     oder willst du, da du errettet bist, unter der Decke eine Zwiesprache mit deinem Herrgott halten?
    Das Zweite, sagte ich.
    Eine ökonomische Antwort, stellte er fest, ich bin Herr Leber.
    Wie bitte?
    So ist es hier unter uns eingerichtet, wer kann sich schon an all die vielen Namen erinnern? Ich bin ein Trinker, ich habe
     es mit der Leber, also heiße ich Herr |20| Leber. Dann gibt es noch einen, den

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