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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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unbedingt Übelkeit verursachen. Meine einzige Sorge ist jetzt, dass ich, so wie Othello, meine Aufgabe verliere.«
    Er stellte das Glas ab und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht, als wollte er es von meinem Schmutz befreien. »Was habe ich Ihnen bloß getan, verdammt?«, wollte er wissen.
    Es war eine einleuchtende Frage, und ich schenkte ihr die gebührende Beachtung. Ich bedeckte mein Gesicht mit den Händen. Vielleicht mussten wir diese Auseinandersetzung blind führen.
    Â»Was Sie mir getan haben? Gar nichts«, sagte ich. »Aber ich wollte auch nie, dass der Eindruck entsteht, Sie hätten mir etwas getan. Um es ganz deutlich zu sagen: Ich habe nichts anderes getan, als Ihnen meine Frau zu geben. Ich weiß, ich weiß, ich kann nicht über Marisa verfügen. Ich habe kein Recht sie herzugeben. Genauso wenig wie ich das Recht hätte, sie Ihnen zu geben. Aber als Sie beide allein nicht miteinander vorankamen, habe ich mir große Mühe gegeben, Sie beide zusammenzubringen. Ohne mich würden Sie beide immer noch in der High Street stehen und über Baudelaire diskutieren. Ich brauche mich also bei Ihnen für nichts zu entschuldigen. Ich muss gestehen, es war mir eine Freude, von Mann zu Mann, etwas zu tun, was Sie zutiefst entsetzt, seelisch verletzt, Sie, einen Mann, der keine Seele hat. Ein ausgemachter Masochist ist immer ein Affront für einen Sadisten. Er entzieht dem Sadisten die ›raison d’être‹.«
    Â»Es ist mir unverständlich, warum Sie mich für einen Sadisten halten. Es ist nicht das erste Mal, dass Sie mir eine Brutalität unterstellen, die ich in mir nicht erkennen kann.«
    Â»Das kommt, weil Sie an der falschen Stelle suchen. Ihre Brutalität ist die Brutalität des Rationalisten. Sie haben gesagt, Sie seien kein außergewöhnlicher Mensch, und tatsächlich betrachte ich Sie mehr oder weniger als einen Menschen unserer Zeit. Sie prahlen damit, dass Sie nichts mehr überraschen und nichts mehr enttäuschen kann. Sie haben das Wesen des Menschen bis auf den Grund durchschaut. Und dann übergibt Ihnen ein anständig gekleideter Ehemann mit guten Manieren seine Frau, und Sie sind angewidert. Irgendwann führe ich Sie mal abends in einen Club, den ich kenne. Das wird Ihren Weltschmerz auf die Probe stellen. Sie wollen anscheinend nicht begreifen, dass ich Sie eigentlich ganz gern habe. Ich habe das Gefühl, dass wir einiges gemein haben. Wir versuchen beide, den Tod Gottes zu verkraften. Nur glaube ich, dass es mir besser gelingt. Ich liefere mich der Ernüchterung nicht aus. Ich sage mir, wenn es nichts mehr gibt, an das man glauben soll, dann glaube an die Erotik. Wenn Sie wirklich nicht mehr wissen, wohin, dann lassen Sie sich von ihr auf eine Reise Ihrer Wahl mitnehmen.«
    Â»Wenn Sie von einem Wettstreit zwischen Glaubenssystemen reden, dann haben Sie den allein mit sich selbst ausgetragen. Was meine Beziehung zu Ihrer Frau betrifft, wusste ich bis gestern nichts von Ihrer Existenz.«
    Â»Ihr Mangel an Interesse spricht nicht gerade für Sie.«
    Â»Und Ihre obszöne Neugier nicht gerade für Sie. Ist Ihnen bei Ihrem ganzen Herumschnüffeln im Leben Ihrer Frau und dem meinen schon mal der Gedanke gekommen, dass unsere Gefühle füreinander aufrichtig sind?«
    Â»Immerzu. Das war ganz in meinem Sinn.«
    Â»Warum? Damit Sie sich daran aufgeilen konnten?«
    Â»Damit ich meine Frau noch mehr lieben konnte.«
    Â»Sie können nur eine Frau lieben, die von einem anderen geliebt wird?«
    Â»Dieselbe Frage könnte ich Ihnen auch stellen. Ich habe ja gesagt, wir hätten viele Gemeinsamkeiten. Doch nein – ja, ich habe Marisa sehr geliebt, auch als es noch keinen anderen gab, weder Sie noch die anderen, die vor Ihnen kamen. Seit Sie aufgetaucht sind, liebe ich sie allerdings noch mehr.«
    Â»Sie sind süchtig nach Verlust, mein Freund.«
    Â»Und Sie sind süchtig nach Sieg. Wir wissen doch beide, dass Liebe auf Dauer stirbt, schal wird und oberflächlich, in bloße Kameradschaft abgleitet, wenn es in ihr keine Grausamkeit gibt. Ich meine nicht körperlichen Schmerz oder Gewalt, sondern Grausamkeit. Die Grausamkeit des Verlustes. Der Angst. Der Eifersucht. Therapeuten können uns ein Lied über Vertrauen singen, aber wo keine Eifersucht ist, da ist auch keine Liebe. Auch wenn es nicht gerade modern ist, aber Othello hatte recht, als er sagte, er

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