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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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zu viele Fragen stellte, selbst keine Fragen stellte?
    Am nächsten Abend klingelte es gegen sieben Uhr an der Tür. Ich saß in meinem Arbeitszimmer, trank blutroten Wein und hörte eine CD mit Liedern von Schubert. Die Klingel schreckte mich auf. Um diese Zeit klingelte bei uns sonst keiner an der Tür. Für Geschäftskunden oder Postsendungen war es zu spät, und Freunde besuchen einen in London nur, wenn sie sich vierzehn Tage vorher angekündigt haben. Also war es entweder eine gute Nachricht oder eine schlechte. Mein erster Gedanke war Marisa, die lieber schellte, als ihren Haustürschlüssel zu benutzen, um damit zu signalisieren, dass sie nicht mehr hier wohnte. Ich guckte nicht in den Spiegel, bevor ich aufmachte. Sollte sie ruhig sehen, dass es mir dreckig ging, egal, ob das Mitleid oder Schadenfreude in ihr hervorrief. Sollte sie ruhig sehen.
    Aber es war nicht Marisa. Es war Marius.
    *
    Â»Nicht Ihre übliche Zeit«, sagte ich.
    Er strich sich mit den Fingern über seinen Schnauzbart. »Ich weiß.«
    Â»Marisa ist nicht hier«, sagte ich.
    Â»Das weiß ich auch.«
    Woher wusste er das? Wusste er es, weil sie bei ihm war?
    Er las meine Gedanken. »Sie ist nicht bei mir«, ergänzte er.
    Trotzdem, man konnte daraus schließen, dass er Kontakt mit ihr hatte und dass er wusste, wo sie sich aufhielt. Dennoch würde ich ihn nicht danach fragen.
    Â»Was kann ich für Sie tun?«, fragte ich.
    Er sah mich von oben bis unten an. »Sie sind also der Buchhändler«, sagte er. »Sie erwähnten irgendwas von Künstler oder Perverser. Von Buchhändler war nicht die Rede. Ich hätte zwei und zwei zusammenzählen müssen.«
    Â»Wenn es um Bücher geht – unsere Öffnungszeiten sind von zehn bis sechs. Wo unsere Buchhandlung sich befindet, dürfte Ihnen bekannt sein. Aber ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie vorher einen Termin ausmachen müssen.«
    Â»Es geht nicht um Bücher. Kann ich hereinkommen?«
    Ich lachte. »Soll ich Ihnen den Weg zeigen, oder finden Sie sich alleine zurecht? Ich nehme an, Sie kennen sich hier aus.«
    Â»Ich weiß nicht, warum Sie den gekränkten Ehemann spielen«, sagte er.
    Â»Vielleicht, weil ich einer bin.«
    Â»Sie haben kein Recht, den gekränkten Ehemann zu spielen, nicht mehr als ich den gekränkten Liebhaber. In Wahrheit sogar weniger.«
    Unverbesserlich, dieses Organ, das ich mein Herz nenne. Selbst unter diesen Umständen brauchte ich nur zu hören, wie Marius sich als Liebhaber bezeichnete, Liebhaber meiner Frau, und ich stand unter Strom. Wenn er sie als seine Geliebte bezeichnet hätte, ich wäre explodiert.
    Ich sah von der obersten Stufe auf ihn herab, Auge in Auge. Wollte ich sehen, was Marisa in ihm sah? Er erwiderte meinen Blick, Auge in Auge. Wollte er das Gleiche sehen? Aus dieser Nähe erkennt man natürlich gar nichts im Auge seines Gegenübers, außer wie tief man selbst blickt. Einige Sekunden befanden wir uns wie Schuljungen in einem Wettstreit, wer dem Blick am längsten standhielt. Doch schon rein instinktiv wollte ich ihn gewinnen lassen. »Kommen Sie herein«, erlöste ich ihn. »Wir gehen in mein Arbeitszimmer.«
    Er war so taktvoll, die Tatsache, dass sich die Einrichtung in meinem Arbeitszimmer vom Rest des Hauses unterschied, nicht weiter zu kommentieren. Außer ihn mit Technik vollzustopfen, hatte ich den Raum kaum verändert, seit er meinem Vater als Arbeitszimmer gedient hatte, und dieser hatte ihn schon nach dem Tod seines Vaters unverändert übernommen. Wir legen Wert auf ein bisschen Kontinuität in unserer Familie, aber den Liebhaber seiner Frau hatte bisher wohl noch kaum ein Quinn hier empfangen. Wenn es doch nur einer getan hätte – ich glaube, den Frauen in unserer Familie wäre es besser ergangen.
    Ich goss ihm ein Glas Wein ein, das er mit zittriger Hand entgegennahm. Was immer seine Absicht war, ich glaube, er war nicht hergekommen, um sich vor mir wichtig zu machen.
    Sein Blick ruhte jetzt auf einer Fotografie auf meinem Schreibtisch. Sie zeigte einen älteren Herrn auf einem Sofa, der die Beine einer Frau mit einer Intensität ins Visier nahm, die der Fotograf offenbar komisch und gleichzeitig rührend gefunden haben musste. Und wohl auch kühn, wie ich dachte, aufgrund der Obsessivität, die mich zum Kauf veranlasst hatte. Wenn es sich hierbei um ein

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