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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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miteinander verbunden, Sie und ich.«
    Wir waren wieder an unserem Ausgangspunkt angelangt, wo wir besser von Anfang an geblieben wären.
    Â»Sie waren auf Jim Hanleys Beerdigung?«
    Â»Ich gehe gerne auf Beerdigungen.«
    Â»Warum? Sind sie ein gutes Jagdrevier für Sie?«
    Â»Jagd? Worauf?«
    Â»Was Sie eben so jagen.«
    Â»Ich jage nicht. Ich würde eher sagen, dass ich der Gejagte bin, wenn wir schon in Ihrem Bild bleiben wollen. Mich findet man immer.«
    Â»Sie? Ich habe Sie nicht gefunden.«
    Â»Doch, schon. Durch Ihre Anziehungskraft. ›Ich kann’s‹, hat es förmlich aus Ihnen geschrien. Ich wollte einen alten Mann betrauern, sonst nichts, deswegen war ich hingekommen, und da bin ich Ihnen begegnet, und Sie schrien mir entgegen, dass Sie es könnten.«
    Â»Was sollte ich denn können?«
    Ich lachte. Wenn ein Mann einem anderen sagt, was er »kann«, ist Lachen immer angebracht. Es sei denn, er verfolgt eher den tragischen Weg, und das hatte ich nicht vor.
    Â»Den heiligen Schrecken erregen«, sagte ich.
    Â»Und was soll das sein?«
    Â»Sie kennen den heiligen Schrecken nicht? Ich muss sagen, das erstaunt mich. Aber da Sie ihn ohnehin verbreiten, brauchen Sie dafür vielleicht gar keinen Namen. Er stammt von Henry James und ist das, was sich jeder freundliche, gesittete und möglicherweise impotente Mann wünscht – das Allheilmittel, um eine Frau zum Beben zu bringen.«
    Â»Ach, du liebe Güte!«
    Â»Ich weiß. Klingt hochtrabend. Aber ein Ehemann wie ich muss versuchen, sich in die Perspektive der Frau hineinzuversetzen.«
    Â»Und dabei soll Ihnen Henry James helfen?«
    Â»Jedenfalls hat er mich nicht in die Irre geführt.«
    Also, wo ist Marisa?, verspürte ich plötzlich den Wunsch zu fragen. Wo ist sie? Und schließlich konnte ich nicht mehr an mich halten, obwohl ich jeden anderen lieber gefragt hätte als Marius. »Wo ist sie?«
    Â»Ich weiß es nicht.«
    Â»Wirklich nicht?«
    Â»Wirklich nicht. Aber Sie glauben doch wohl nicht, ich würde es Ihnen verraten, selbst wenn ich es wüsste.«
    Â»Ich erwarte nur die übliche menschliche Offenheit«, sagte ich. »Ich bin es gewohnt, dass man mir immer alles sagt. Geheimnistuerei ist mir verhasst. Marisa auch.«
    Schweigen zwischen uns, während ich ihm mit einer Geste anbot, ihm Wein nachzuschenken, was er ablehnte. Das Motto meines Vaters lautete: Traue nie einem Mann, der nicht so viel Wein trinkt, wie ihm angeboten wird.
    Ich beobachtete ihn. Er überlegte angestrengt, wie er die nächste Frage formulieren sollte, denn es war letztlich die Frage, die ihn zu mir geführt hatte. Aber es dauerte mir zu lange. Ich musste mir einiges von der Seele reden, da er nun schon mal hier war. »Hat Marisa mir wirklich alles bis ins Kleinste erzählt – werden Sie sich fragen. Einige Fragen werden wir wohl unbeantwortet mit ins Grab nehmen. Wenn ich Ihnen sagen würde, was Marisa mir alles erzählt hat, würde ich ihr Vertrauen missbrauchen. Das würde Ihr gemeinsames Glück gefährden. Und das wünsche ich natürlich nicht – weder für Sie noch für Marisa, am wenigsten für mich. Ich hatte meinen Spaß, seitdem Sie und Marisa endlich …«
    Mein mephistophelisches Grinsen umfasste den Rest. Unter unseren Füßen das Bestiarium in grellen Farben, vor meinen Augen das Bestiarium von Marius’ ausgelassenen Nachmittagsstunden in meinem Haus, er und meine Frau in leidenschaftlicher Umarmung, wie Tiere ineinander verschlungen. Ich heftete meinen Blick auf ihn, damit er sie ganz in sich aufnehmen konnte, meine Aneignung ihrer Kopulation, bis er daran erstickte.
    Â»Jetzt«, sagte er, »hätte ich doch gern noch ein Glas Wein.« Ich zögerte und fürchtete um meinen Teppich. Würde er mir den Wein ins Gesicht schütten? Nein, überlegte ich. Er hatte mich einmal geschlagen. Ein zweiter Angriff hieße für ihn, sein Verhalten vorhersehbar machen. Stattdessen prostete er mir mit erhobenem Glas zu. »Ich trinke auf Sie«, sagte er. »Ich kenne keinen Menschen, der mich so anwidert wie Sie.«
    Ich prostete ihm ebenfalls zu. »Sie haben meinen Tag gerettet«, sagte ich. »Mal wieder. Von dem Moment an, als ich Sie zum ersten Mal zu Gesicht bekam, wollte ich nichts anderes – das heißt, nein, nichts anderes ist übertrieben, aber ich wollte Ihnen

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