Liebesdienst
würde zu sehr lieben. Das bringt man nicht zum Ausdruck, indem man seine Frau erdrosselt. Das war sein Fehler. Cassio in sein Bett zu bitten wäre für alle Beteiligten die weitaus elegantere Lösung gewesen.«
»Vorausgesetzt, er konnte zuschauen.«
»Vielleicht. Er war ein einfacher Soldat. Aber es bereichert einen mehr, wenn man es erzählt bekommt, so wie Jago es beinahe gemacht hätte. Worte können viel stärkere Regungen hervorrufen als das Sehen.«
Er sah mich gleichmütig an. Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht gesagt, mitleidig.
»Worte können täuschen«, sagte er.
»Wollen Sie damit andeuten, dass Marisa mich getäuscht hat? Vielleicht habe ich Sie ja schon genug angewidert für einen Tag, aber ich darf Ihnen sagen, dass unsere Ehe schon immer sehr wortreich war. Wenn sie mich täuscht, dann sagt sie es mir.«
»Jetzt muss ich aber mal meine philosophische Enttäuschung über Sie zum Ausdruck bringen. Sie wissen so gut wie ich, dass Worte nicht immer Botschaften der Wahrheit sind. Sie können noch so ehrlich gemeint sein, das Trügerische gehört zu ihrem Wesen. Es erstaunt mich, dass Sie nie auf die Idee gekommen sind, Marisa könnte Sie in Bezug auf ihre Täuschungen getäuscht haben.«
»Das ist mir zu spitzfindig.«
Er zuckte die Schultern. »Dann können wir uns ja darauf einigen, dass wir uns mit unseren Spitzfindigkeiten gegenseitig übertroffen haben.«
Ich musterte ihn. Das Privileg des Gastgebers â einen ungebetenen Gast lange, anmaÃend und widerstandslos ansehen zu dürfen. Ein hübscher Mann, Marius, keine Frage, aber trocken. Würde man ihn ausquetschen, es käme nichts heraus, nur ein bisschen Staub. Und wenn man genauer hinsah, wirkte er abgehärmt. Waren diese dunklen Augenringe, wie Ränder einer Mondsichel, immer schon da gewesen? Muss der Blick in diese Augen Marisa nicht traurig gestimmt haben?
»Warum sind Sie hergekommen?«, fragte ich ihn.
»Um der alten Zeiten willen.«
»Wie ich sehe, wollen Sie siegreich aus diesem Duell hervorgehen. Nun, wie Sie wissen, bin ich leicht zu bezwingen.«
»Ich verrate Ihnen ein Geheimnis. Ich fühle mich nicht als Sieger. Und ich habe mich auch nicht bei dem armen Jim Hanley als Sieger gefühlt. Amor vincit omnia . Die Liebe richtet uns alle zugrunde.«
»Nur, wenn wir sie lassen.«
»Man spielt mit dem Tod, und das wissen Sie.«
»Ich würde eher sagen, man tanzt mit dem Tod. Mein Motto: GenieÃe den Tanz.«
»Das sind Ihre verdorbenen Vorstellungen von Liebe.«
»Und Klossowskis, nicht zu vergessen«, sagte ich, da er einen abschlieÃenden Blick auf das Foto von Newton warf. »Sie werden sogar feststellen, dass die Hälfte aller Männer eher von meiner Fraktion ist â die Hälfte, die nicht Ihrer zuzurechnen ist. Eine andere Variante gibt es nicht. Ihre oder meine. Hammer oder Amboss. Finito.«
»Und wer, würden Sie sagen, hat mehr davon?«
»Das hängt von den WertmaÃstäben ab. Wenn es um Glückseligkeit geht, würde ich sagen, der Amboss. Der Hammer führt den Schlag, der Amboss fühlt den Schlag. Der Hammer handelt, der Amboss fühlt. Hammerschwinger malen keine Bilder oder schreiben Romane.«
»Romane, wie Henry James sie schreibt?«
»Romane eben. Kunst passiert auf dem Amboss, unter dem Hammer.«
»Hören Sie«, sagte er plötzlich und schlug einen gänzlich anderen Ton an, als wollte er auf das Gesagte nicht weiter eingehen, »verzeihen Sie, dass ich mich in Ihre Ehe einmische â¦Â«
Ich hätte mich verächtlich räuspern können, aber ich tat es nicht. Meine Stimmung war plötzlich auch umgeschlagen. »Das heiÃt«, sagte ich, »falls ich überhaupt eine Ehe führe â und wir wollen ja offen zueinander sein.«
Für einen Moment wendete er den Blick ab. Es war kein Thema, auf das er sich einlassen wollte. Schon seltsam, dass ein Mann mit deiner Frau schlafen und trotzdem diskret sein kann bei der Frage, ob man eine Ehe führt oder nicht.
»Was ich sagen wollte«, fuhr er fort. »Mein Ruf muss Sie nicht kümmern, aber Marisas Wohlergehen sollte Sie kümmern. Sie können mir eins auf die Nase geben, wenn Sie wollen â bestimmt meinen Sie, dass Sie sich das schuldig sind â, aber ich glaube â und als Gegenstand Ihrer Gespräche habe ich
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