Liebesdienst
beide das Gleiche für mich empfanden. Mit einem schweifenden Blick, der die eifrige Geschwätzigkeit und den Glitzer des Restaurants erfasste, sagte sie schlieÃlich: »Wo soll das bloà alles enden, Mr Quinn?«
»Wo es immer endet, Dulcie«, sagte ich. Was Besseres fiel mir nicht ein.
*
Mein Mittagessen mit Dulcie hätte ein entscheidendes Ereignis sein müssen, wie Quirins idiotischer trunkener Sturz unsere Treppe hinunter. Vernünftig sein, so wie unsere Gesellschaft Vernunft versteht, heiÃt, eine Lektion erkennen, wo sie sich anbietet. Aber wenn ich ein lernwilliger Mensch gewesen wäre, hätte ich mir schon vor Langem meinen Vater angesehen und fortan darauf verzichtet, ein Mann zu sein.
Ich habe nie versucht, meinen Snobismus zu verbergen, es wird daher niemanden verwundern, dass ich vor dem Vergleich meiner Ehe mit der von Lionel zurückschreckte. Gab es zwischen diesem zahnlosen, unschönen, Bestelllisten schreibenden, weibisch hinterhältigen Bratschisten und mir ein Band der erotischen Bedürfnisse?
Ich weiÃ, hier liegt ein Widerspruch vor. Einerseits bin ich fest davon überzeugt, dass das, was ich empfinde, alle Männer empfinden, mit dem einzigen Unterschied, dass sich die anderen Männer ihre Empfindung nicht eingestehen. Andererseits kommen mir, kaum entdecke ich Hinweise auf die Allgemeingültigkeit eines bestimmten sexuellen Impulses, Selbstzweifel. Wenn diese armen Wesen, die zwischen Himmel und Erde kriechen, das Gleiche wollen wie ich, wäre ich dann unter den willenlosen Toten nicht besser aufgehoben? Am Ende läuft es darauf hinaus, dass man, um einen läppischen Dichter zu zitieren, »sein Brot mit anderen teilen muss« und weiter seine Krümel am Tisch der bescheidenen Gemüter zusammenkratzen. Man muss etwas zu beiÃen haben, so wie jeder andere Mensch auch, und muss daher das begehren, was auch andere Männer begehren. Doch bei FuÃkettchen und scharfen Bräuten fällt es mir mehr als schwer, die Vorstellung einer libidinösen Demokratie zu akzeptieren.
Gab es zwischen Lionels munteren billigen Fantasien für Dulcie und der strengen Marisa-Religion, die ich praktizierte, wirklich eine Verwandtschaft? Dulcies Abneigung gegen die »amerikanisch« anmutenden Vorschläge ihres Mannes konnte ich gut nachvollziehen. Es war nicht der Sex, der ihr verhasst war, es war die Disneyfizierung des Sex. Mit scharfen Bräuten kannte ich mich aus. Ich war mal in Minneapolis in Sachen Büchern unterwegs gewesen, in Milwaukee hatte ich auf einer Konferenz antiquarischer Buchhändler im Anschluss an ein Dinner sogar eine Rede gehalten, und auch wenn ich auf diesen Reisen keine Frauen kennengelernt hatte, die ich als Braut bezeichnen würde, spürte ich doch ihre Gegenwart, in den Shopping-Malls und in den Gängen zwischen den Regalen bei Wal-Mart. In Amerika existiert eine ausgeprägte Subkultur der Frauenverehrung, die nicht selten, wie von Dulcie befürchtet, opportunistisch wirkt, wenn sie lediglich als Vorwand dient, seine alte Frau gegen eine neue zu tauschen. Meist jedoch ist sie von der klassisch devoten Ausprägung, bei der sich der Ehemann â ich referiere das nicht ohne Scham â idealerweise wünscht, von der Frau entmannt zu werden, indem er mit einem gut bestückten Schwarzen paktiert, der sie an seine Freunde verkuppelt und dessen Kind sie sogar in extremen Fällen austrägt. Vielleicht liegt es an der kraftlosen, kastrierenden Zeit, in der wir leben, dass die zeitgenössische Pornografie mehr als jede andere Devianz offenes Fremdgehen thematisiert und Fremdgehen mit einer anderen Rasse, jedenfalls für Amerikaner, die beliebteste Fantasievorstellung überhaupt ist. Die Literatur war mir nicht unbekannt, und mir graute vor ihr: Männer, die keine Männer sein wollen; Ehemänner, die sich Versager und Weichlinge nennen; Männer, die nur Glück empfinden, wenn ihre Frauen über die Untauglichkeit ihrer Genitalien lachen; Männer, die davon träumen, den Samen des schwarzen Mannes aus der Vagina ihrer Frau zu schlürfen. Konnte ich mich irgendwo auf diesem Kontinuum der Kastration verorten? War mein Traum von Verstümmelung nur die Metapher eines verlogenen Mannes für genau dieses Verlangen, nämlich gar kein Mann zu sein?
Nein, lautet meine Antwort. Es gibt kein Kontinuum der Anomalie, auÃer in dem Sinn, dass jeder sexuelle Akt ein Scheideweg
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