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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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Schundroman? In beidem, lautet die Antwort. Denn es ist das Begehren selbst, das den schmalen Streifen jenes herrenlosen Territoriums zwischen Sakrament und Schund bewohnt.
    Stellen Sie sich folgende Szene vor. Ein Junge, krank vor Liebe zu einer unerreichbaren Frau, reitet mit seinem Vater aus. Als sie »an einen hohen Holzhaufen« kommen, steigt der Vater ab und sagt dem Jungen, er solle hier warten. Da der Vater nicht zurückkehrt, macht sich der Junge schließlich auf die Suche nach ihm. Er findet ihn, am Fenster eines kleinen Holzhauses stehend, im Gespräch mit einer schönen Frau. Die Frau ist natürlich das Objekt der unerwiderten Liebe des Jungen. Etwas, das »stärker ist als Neugier, Eifersucht und Angst«, hält ihn davon ab wegzulaufen. (Wir wissen, worum es sich bei diesem Etwas handelt: die schwärmerische Erwartung eines orakelhaften Beweises.) Dann geschieht vor seinen Augen »etwas Unbegreifliches«. Der Vater hebt die Reitgerte und versetzt der jungen Frau einen scharfen Hieb auf den Arm, der bis zu den Ellbogen unbedeckt ist. Sie erbebt, sieht stumm ihren Peiniger an, hebt dann langsam den Arm zum Mund und küsst »den sich rötenden Streifen«.
    Phallische Holzscheite, Söhne, die neidisch auf den Sex ihrer Väter sind, Reitgerten, puterrote Narben, geistvolle Frauen, die sich ducken und erbeben – welches Machwerk monumentalen, melodramatischen Quarks findet in dieser Szene seinen Höhepunkt? Iwan Turgenjews Erste Liebe . Ein Meisterwerk.
    Große Erwartungen, Dickens’ Roman, von dem mein Vater mal eine Ausgabe verkauft hat, die mit einer Widmung des Autors an seine Mätresse versehen war, fesselt uns mit einem ganz ähnlichen Schauermärchen. In beiden Romanen entrückt ein Junge eine Frau aus ihrer materiellen Existenz ins Vergeistigte. In beiden Fällen muss er den Anblick ertragen, wie ein anderer Mann oder andere Männer sie mit Gewalt zurückholen.
    Grand Guignol, geschenkt. Aber das ist nun mal die Temperatur erotischer Männerfantasien. Kranker Fantasien, werden Sie vielleicht sagen. Dem Einwand will ich nicht widersprechen. Doch bedauern können Sie uns auch so, die wir zwischen den Extremen pendeln, dem Glauben, eine Frau sei über die grobe vergiftende Berührung des Mannes erhaben, und der Befürchtung, die ungestüme Bestätigung durch den Mann, zu der wir nicht fähig sind, sei gerade das, was eine Frau suche.
    Doch wo fand sich in Marisas Leben die ungestüme Bestätigung durch den Mann? An ihrem Tisch saß sie jedenfalls nicht – das konnte jeder sehen. Was immer sonst für Miles sprechen mochte, meine Frau hatte er nicht bezwungen, nicht so wie Bezwingung in den Werken von Turgenjew und in den Groschenromanen aussieht. Dazu fehlte ihm der Mumm. Dazu fehlte ihm der dreckige Blick. Dazu fehlte ihm das, was Henry James, der traurige Voyeur des Urverrats, den »heiligen Schrecken« nannte. Gut. Für diese Erleichterung vielibus Dankibus. Wieder eine Hürde im Hindernislauf der Angst genommen.
    Doch nach der Erleichterung – die Enttäuschung: Wenn Miles keine Bedrohung für mich darstellte, wer dann? Was, wenn Marisas Liebhaber alle so waren wie er, wenn alle genauso unfähig waren, die Reitgerte zu schwingen, wie ich? Schlimmer noch, wenn Miles Marisas einziger Liebhaber war? Mein Kathedralenbett der Eifersuchtsqual wäre in dem Fall eine Täuschung. Es gab niemanden, auf den ich quälend eifersüchtig hätte sein können.
    Vielleicht las ich auch das in dem Blick, den Marisa mir in dem Restaurant zuwarf – dass sie das Gefühl hatte, mich zu enttäuschen. Dass sie ihr Möglichstes für uns beide getan hatte, doch hiermit die Grenze ihrer Lasterhaftigkeit erreicht war. Die Wirklichkeit hatte die Illusion hinweggefegt, und jetzt war das Spiel aus.
    Was ich zu Dulcie über die verlässliche Treue eines Mannes zu seiner Frau gesagt hatte, der seine Erfüllung in ihrer Untreue ihm gegenüber sieht, war ernst gemeint. Als ich Marisa kennengelernt hatte, hörte ich nicht auf, anderen Frauen hinterherzuschauen. Sie hatte mich, allein kraft ihrer Schönheit und Anwesenheit, nicht vom Feld des promisken Begehrens verdrängt. Doch von dem Moment an, als ich die Hände des kubanischen Arztes auf ihr sah und mir Marisas Untreue vorstellbar erschien, gehörte ich nur noch ihr. Keine andere Frau interessierte mich auch nur im Entferntesten. Ich

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