Liebesdienst
ich.
»Sie kennen solche Seiten?« Im ersten Moment dachte ich, sie würde sich gleich die Haare raufen. »Sie sind mein Arbeitgeber. Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen aus dem Computer entgegenlachte? Mit einem FuÃkettchen bekleidet, und wenn es nach Lionel ginge, sonst herzlich wenig anderes am Leib. Was ist, wenn mich Geschäftskunden so sehen? Was sollen sie von Felix Quinn: Antiquarische Buchhandlung denken?«
Darüber konnten wir beide lachen.
»Dann haben Sie also Nein gesagt.«
»Ich habe Nein gesagt und das Kettchen abgenommen. Ob es ihm passt oder nicht.«
»Und wenn es ihm nicht passt?«
Worauf sie sich wieder an meiner Brust ausgeheult hatte.
Jetzt, sechs Monate später, aÃen wir hier zusammen zu Mittag, besprachen die neuesten Entwicklungen, und drei Tische weiter saà meine Frau, die Dulcie nun vermutlich für meine scharfe Braut hielt. Gerade hatte Dulcie mir mitgeteilt, dass sich alles zum Schlimmeren wendete, als Marisa und ihr irischer Pferdezüchter aufgekreuzt waren. Danach dauerte es erst eine Weile, bis sie den roten Faden wieder aufgenommen hatte, so sehr lenkte sie der irische Pferdezüchter ab. Da sie nicht wagte, darauf anzuspielen, legte sie zum zweiten Mal ihre Hand auf meine und fragte mich, ob ich nicht lieber gehen wolle.
»Nein, Dulcie«, sagte ich. »Warum?«
Sie senkte den Kopf und trank einen Schluck Wasser. »Eine komische Welt ist das«, sagte sie.
Ich wartete die nächste Gelegenheit ab und bat den Kellner noch um etwas Brot.
»Kürzlich habe ich mit meiner Tochter gesprochen«, sagte sie. »Sie meint, sie sei vielleicht lesbisch.«
»Ist das ein Problem für Sie?«
»Für sie ist es eins. Sie studiert Theologie.«
»Theologie ist heute auch nicht mehr das, was es mal war«, sagte ich.
»Meine Familie bricht auseinander.«
»Wegen Ihrer Tochter?«
»Nein. Aber die Familie bricht auseinander. Meine Tochter ist nur ein Teil dieses Prozesses. Wenn die eigene Mutter mit FuÃkettchen herumläuft, muss man doch lesbisch werden, oder?«
Ich beschloss, mich lieber nicht nach ihrem Sohn zu erkundigen. »Dann haben Sie das also noch nicht geklärt?«, fragte ich sie.
»Doch, doch, das haben wir geklärt. Das FuÃkettchen habe ich in den Mülleimer geworfen. Aber unsere Ehe ist auch im Eimer. Lionel hat einen Verehrer für mich gefunden. Einen Elektriker.«
»Wie meinen Sie das, er hat einen Verehrer für Sie gefunden?«, fragte ich.
»So wie ich es gesagt habe. Wahrscheinlich hat er ihn auf der StraÃe aufgelesen. Ein Mann in Overall. Hätte er nicht wenigstens einen Cellisten für mich aufgabeln können?«
»Sie hätten sich trotzdem nicht mit der Idee angefreundet, Dulcie, selbst wenn er Pablo Casals für Sie angeschleppt hätte.«
Sie hatte eine drollige Art, ihre Verzweiflung zu demonstrieren, indem sie den Kopf zurückwarf und die Hände, die Handteller nach auÃen gekehrt, hob wie ein Priester. »Ein Elektriker«, wiederholte sie. »Lionel sagt, er bringt einen Freund zum Abendessen mit, und bittet mich, was Bequemes und Schickes anzuziehen. Müsste er nicht mal langsam mitgekriegt haben, dass es für Frauen kein Kleidungsstück gibt, das beides ist, bequem und schick, und in dem sie auch noch für ihren Mann und seinen Elektrikerfreund kochen soll? Dann zeigt er mir noch eine Frank-Sinatra-CD, für später, zum Tanzen, wie er sagt. Wir haben noch nie nach dem Abendessen zu Hause getanzt, nie. Lionel tanzt nicht. Aber wenn ich ihn daran erinnere, weià ich, was kommt. âºIch bin ja auch nicht derjenige, der nachher tanzen soll.â¹ Das ist doch krank, Mr Quinn. Finden Sie nicht? Ich bin mit einem kranken Mann verheiratet.«
»Ach, krank«, sagte ich und tat es mit einer Handbewegung ab.
»Was soll das heiÃen, ach, krank?«
»Die Kranken sind die wahren Gesunden.«
»Das hört sich klüger an, als es ist. Was soll daran gesund sein, wenn man Pädophiler oder Vergewaltiger ist, oder von mir aus auch eine scharfe Braut?«
»Oder lesbisch?«
»Wenn ich so darüber nachdenke, macht es mir eigentlich nicht mehr so viel aus, dass Phoebe lesbisch ist. Es wäre schön gewesen, wenn sie Kinder bekommen hätte, weil ich glaube, dass sie eine gute Mutter geworden wäre. Aber Hauptsache, sie ist glücklich. Lesbisch zu sein, würde ich nicht als
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