Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
Vom Netzwerk:
und sah keine Zukunft für sich darin, jetzt den nächsten zu verlassen. Vermutlich wollte sie auch einfach nicht wahrhaben, dass es ihr, nachdem sie Marius einmal wahnsinnig vor Verlangen nach ihr gemacht hatte – Marius hatte recht, er hatte sie gleichsam zerfleischt –, nicht noch einmal gelingen würde, seine Liebe zu gewinnen. Marius’ Veränderung, seine Schäbigkeit, wo er einst ausschweifend gewesen war, nützte ihm bei seinen Beziehungen zu Frauen insofern, als sie sich schwer von ihm lossagen konnten, solange das Ausschweifende nicht zurückkehrte. Es gehört zu den grausamsten Gesetzen der Erotik, dass Geiz im Verhältnis der Geschlechter zueinander seine Wirkung nie verfehlt – vorausgesetzt, es besteht auch nur die leiseste Hoffnung, Großzügigkeit werde sich wieder einstellen. Wir alle ducken uns in würdeloser Dankbarkeit wie abgerichtete Hunde und warten auf den Brocken Liebe, den man uns hinwirft.
    Selbst meine Mutter, die genau wusste, wo sich mein Vater herumgetrieben hatte, begrüßte ihn herzlich, wenn er nach seiner Grand Tour der Bordelle in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden wieder heimkehrte – sofern er ihr nur belgische Pralinen mitbrachte.
    Ich bin genauso.
    Marius und Elspeth boten auf ihren Wanderungen durch die Welsh Marches, auf der Suche nach einer Beschäftigung für Marius, das Bild ehelichen Unglücks – wenngleich eines Unglücks, das Elspeth durchdrang und sie als ein sexuelles Wesen wachsam, aufmerksam, ja übermütig machte, obwohl ihr besser angestanden hätte, anzuerkennen, dass sie rasch alterte und sich in Kleidung und ihren Erwartungen angepasst hätte. »Er ist ›der große Feind‹, aber er tut mir gut«, sagte sie sich. Sie meinte, gut im erotischen Sinn. Marius war ein Mann, der tief in Frauen eindrang, als suchte er nach etwas in ihrem Innern, was sich an der Oberfläche nicht fand, sich vielleicht niemals finden ließ. Bei Elspeth, falls er sich überhaupt mit ihr abgab, drang er tief ein, im verwundenden wie im forschenden Sinn. Ohne Job, ohne Geld, ging er auf Distanz zu ihr, sah alle und jeden an, nur nicht sie, doch wenn er Arbeit fand, bei einer Lokalzeitung in Ludlow, als Fahrer eines Schulbusses von Stourport nach Shrewsbury oder in Church Stretton, wo sie sich schließlich niederließen, als Verputzer von Cottages – Arbeit, die nicht der Ironie entbehrte, ein Witz, wie er es empfand, gegen ihn persönlich gerichtet, gegen seine vielversprechenden früheren Aussichten, ein lächerliches Leben in einem lächerlichen Teil des Landes –, kehrte er mit ungestümer Rachsucht zu ihr zurück, rief sich ins Gedächtnis, wie sehr es ihn in der Anfangsphase ihrer Beziehung erregt hatte, ihre perfekte Schöner-Wohnen-Miene zu einer Fratze verzerrt zu sehen, der Professorengattinmund wie zu einem Schrei geschürzt. Und jedes Mal glaubte Elspeth natürlich, alles wäre wieder in Ordnung zwischen ihnen und würde so bleiben, bis ihr Schiff endlich die Gestade des Äußersten Westens erreichte, den Wohnort der Lords und der Queens der Valar.
    *
    Marius wurde nicht gleich, nachdem er den Preis von Marisa gefordert hatte – oder, um es drastischer auszudrücken, Marisa als Preis –, in mein Haus eingeführt. Dazwischen lagen mehrere Monate, während deren sie sich gegenseitig den Hof machten. Ein Interregnum, in dem wir alle drei uns auf die neue Situation umstellen mussten.
    Ich halte mich abartig lange bei dieser Phase auf, obwohl ich gleichzeitig Marius nicht schnell genug in Marisas Bett kriegen kann. Wären meine Instinkte sadistisch, hätte ich die beiden längst »chez moi« unter eine Decke gesteckt, denn der Sadist sucht rasch den Ort des Schmerzes. Als Masochist befolge ich eine komplexere und exquisitere Chronologie. Für den Masochisten geht es immer zu schnell, ganz egal, wie lange es bislang gedauert hat. Im Vorfeld der Qual gibt es immer noch mehr zu erleiden, bis sie endlich in ihrer ganzen Fülle genossen werden kann.
    Es gibt also noch weitere Details aus diesem Interregnum zu berichten, bevor Marius mich voll und ganz zum Cuckold machen kann.
    Es kam, wie es kommen musste. Marisa führte ihn zum Essen in unser Lieblingsrestaurant aus und setzte sich mit ihm an unseren Tisch. Es geht mir hier nicht um einfache Symmetrie. Marisa machte aus unserem Stammlokal ihr Stammlokal, ließ sich dort in

Weitere Kostenlose Bücher