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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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arbeiten, nicht fähig sind.
    Auch Marisa wirkte wie neu beseelt. Gespräche taten ihr gut. Für Gespräche trug sie ihre höchsten Absätze.
    Sie gingen wieder essen, in dasselbe Restaurant, setzten sich an denselben Tisch – unseren Tisch natürlich –, bis es für sie genauso zu einer Tradition wurde wie zuvor für uns. Schließlich, doch ich greife vor, lud sie ihn nach Hause ein, in das Haus, das wir beide gemeinsam bewohnten, und danach in ihr Bett. Nicht unser Bett, Verwicklungen dieser Art duldete sie nicht, obwohl sie gewusst haben muss, dass ich keine Einwände gehabt hätte. Es war tagsüber, und ich war im Geschäft. Ich hatte die Arbeit zugunsten von Marius vernachlässigt und war froh, wieder zurückkehren zu können. Manchmal schlenderte ich durch die Straßen, gern auf den Wegen, die sie beide zuvor auch gegangen waren.
    Es hat etwas höchst Romantisches, immer wieder den Ort aufzusuchen, von dem man verbannt wurde. Als lebte man ein Leben zwischen Nebelschleiern und Spiegeln. An manchen Tagen fiel mir das Atmen schwer, aber das führte ich auf meine Verzückung zurück. Noch war ich nicht am Ziel, aber ich war auf dem besten Weg dahin. Jetzt waren die beiden am Zug. Ich hatte meine Schuldigkeit getan, jetzt mussten sie ihre Schuldigkeit tun.
    Ich verlangte nicht viel. Nur dass sie einander liebten.

4 Die Ehefrau, der Liebhaber
    Â»â€¦ es tanzt mein Herz, doch nicht aus Freude,
    Freude nicht.«
    William Shakespeare, Wintermärchen

Vier Uhr – l’après-midi d’un faune – war uns allen recht, dem Faun, der Nymphe, dem Gehörnten.
    Ich sah es gerne, wenn er zu uns ins Haus kam. Es gibt Männer, die würden aus geringerem Anlass töten. Sie haben auf Abwehr geschaltet. Ihr Problem. Sie wissen nicht, was ihnen entgeht.
    Natürlich war Marius nicht klar, in wessen Haus er den Faun gab, außer dass es zur Hälfte Marisa gehörte. Ich kann ihm also nicht vorwerfen, er hätte einen persönlichen Sieg über mich errungen. Allerdings war ich mir sicher, dass es zu seinem Spaß beitrug, dass es das Haus eines anderen war. Es gab dem Nachmittag seine Würze. Aussehen und Eigenschaften einer Frau genügten, um ihn zu erregen, aber die Erregung wurde gesteigert, wenn er die Frau obendrein einem anderen Mann wegnahm. Ob der andere Mann auch älter sein musste als er selbst, weiß ich nicht, aber es hätte mich nicht gewundert, seine Erfolgsbilanz legt das nahe. Und wer sagt, dass wir nicht alle aus demselben Holz geschnitzt sind? Wir ducken uns vor unseren virilen Vätern, so wie der Junge in Turgenjews Erzählung, oder – der gleiche Impuls, nur umgekehrt – wir enthaupten sie. Marius war ein Enthaupter.
    Auf der Beerdigung des Mannes, dem er die Frau weggenommen hatte, hatte er keine Träne vergossen, sondern stattdessen zwei minderjährige Mädchen abgeschleppt.
    Ganz gleich, wie alt und wie geschunden, Mädchen waren sein Verderben. Es ist mir nicht gelungen, den wahren Grund in Erfahrung zu bringen, warum er die Universität, an der er als Juniorprofessor lehrte, verließ, kurz nachdem er mit Elspeth durchgebrannt war. Der Ruch irgendeines Skandals lag in der Luft, aber es war unwahrscheinlich, dass Elspeths Mann etwas damit zu tun hatte. Für Groll von solcher Art war er zu ehrenwert und zu vertrottelt. Sehr wahrscheinlich sogar hatte er Marius die Stelle überhaupt erst verschafft. Professoren bringen ihre Studenten gerne unter, ob sie nun mit ihren Frauen durchgebrannt sind oder nicht. Es befriedigt einen gewissen Hang zum Dynastischen. Aus welchem Grund auch immer, jedenfalls war Marius weg, noch bevor er bleibende Spuren wenigstens im Antlitz der Universität hinterlassen hatte. Anders verhielt es sich mit den Spuren, die er bei seinen Studentinnen hinterließ. Die Mädchen vergötterten ihn, jedenfalls einige von ihnen. Als Lehrer war er so, wie er schon als Student gewesen war: anregend, brillant, allzu vertraulich, mit der Neigung, andere erst zu idealisieren und dann zu verachten. Wenn er meinte, wirkliches Talent entdeckt zu haben, förderte er es. Es reizte ihn, unsichere Kantonisten zur Kultur zu bekehren. Wenn ihn der Größenwahn packte, glaubte er, pygmaliongleich, er könne das Leblose animieren und der halben Menschheit – der weiblichen Hälfte, versteht sich – Baudelaire und Céline nahebringen, wenn man ihn nur ließe.

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