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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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seiner Gesellschaft blicken – demonstrativ und unentschuldbar mit ihm – und bewies damit, dass sie eine Frau war, die bewusst auf die Bedürfnisse ihres Mannes einging. »Demütige mich«, hatte ich sie stumm angefleht, seit der kubanische Arzt sich meiner Rolle bemächtigt hatte, und sie hätte mich nicht mehr demütigen können, hätte sie mich an einem öffentlichen Ort geschlagen.
    Vico’s, ein traditioneller italienischer Familienbetrieb, mit Bildern des Vesuvs und der Fontana di Trevi an den Wänden, mit Madeirasoße über allen Gerichten und karamellisierten Apfelsinen zum Nachtisch, war seit Jahren mein zweites Zuhause, zuerst in meiner Junggesellenzeit, aber auch später, als ich Marisa dorthin ausführte, die gesprächshungrige Frau eines Mannes, dem ich alte Bücher verkaufte. Auch wenn wir das Lokal nach unserer Heirat seltener aufsuchten – man ging entweder alleine hin, oder man ging hin, schien mir, wenn man nichts Gutes im Schild führte –, blieb ich mit dem ganzen Personal aufs Freundschaftlichste verbunden, besonders mit Rafaele, dem Oberkellner, einem Polen, der sich als Italiener ausgab und bei dem vertrauliches Wissen aufgehoben war wie in einem Sieb. Marisa wusste, dass sie dort nicht mit einem Mann hingehen konnte, ohne dass mir diese Tatsache das nächste Mal, wenn Rafaele mich sah, zugetragen wurde. Immer wenn ich dort alleine aß – und der Mann einer untreuen Frau isst häufig alleine –, verdrehte er die Augen in den Höhlen seines kahlen Schädels und teilte mir, wenn nicht mit Worten, dann mit Blicken mit, was für ein Zufall, gerade erst gestern Abend oder gestern Nachmittag habe er sie bedient … keine Ahnung, wer ihr Begleiter gewesen war … er vermute, was sollte er sonst vermuten, ein Bruder oder irgendein anderes Mitglied der Familie, so intim sei ihre Unterhaltung gewesen … Eine schöne Frau, Ihre Gattin, Signore. Simpatica.
    Sie traute sich ganz schön viel, meine schöne Signora simpatica. Ein Mann darf sich wünschen, dass seine Frau ihm untreu wird – aber musste gleich die ganze Welt davon erfahren? Bei Dostojewski war das anders; um bei Dostojewski als echter gehörnter Ehemann zu gelten, muss er die ganze Gesellschaft auffordern, Zeuge seiner Schmach zu werden; aber Marisa und ich wohnten in Marylebone, nicht in Sankt Petersburg. Dass Marisa sich Vico’s Restaurant angeeignet hatte, war ein Zeichen ihres Selbstvertrauens, aber es zeigte auch, dass sie sich meiner absolut gewiss war. Ich war wie ein Boxer, der in den Seilen hing und wehrlos jeden Schlag einsteckte. Ohne die geringste Befürchtung, selbst verletzt zu werden, konnte sie mich umkreisen und mich so tief und so oft schlagen, wie sie wollte. Ich würde zusammensacken, aber nicht zu Boden gehen.
    Wie seinerzeit beim »Kampf im Dschungel« jedoch kann diese Taktik für denjenigen, der die Schläge austeilt, nach hinten losgehen. Ich habe nie daran gezweifelt, dass es für Marisa härter war als für mich. Ein Ehemann, der in den Seilen hängt, ist nicht gerade der Traummann einer jeden Frau, ganz gleich, was die gängige Literatur über Cuckolds sagt. In dieser Beziehung hatten die nach gehörnten Männern geradezu verrückten Elisabethaner unrecht – eine Frau, die ihren Mann vor aller Welt lächerlich macht, findet sich nicht so leicht, denn mit einem lächerlichen Mann zum Gatten ist man auch selbst lächerlich. Indem Marisa die Sache öffentlich durchstand, bewies sie, dass sie eine Frau unter Tausenden war.
    Aber auch ich war ein Ehemann unter Tausenden, ganz unabhängig davon, ob sich Tausende auch in meine Lage begeben hätten, wenn sie Manns genug gewesen wären.
    Freitag, wenn Marisa abends ihren Dienst bei der Telefonseelsorge versah, war der Tag, an dem ich wieder anfing, alleine bei Vico’s zu essen. An keinem anderen Tag in diesen ersten Monaten, in denen sie zusammen ausgingen, konnte ich sicher sein, ihnen hier nicht in die Arme zu laufen.
    Da freitags immer Hochbetrieb herrschte, war der Abend nicht die beste Zeit, Rafaeles Aufmerksamkeit zu erlangen, aber wenn er an meinem Tisch vorbeihastete, sah ich im Glanz seines eilfertigen, diensteifrigen Gesichts alles, worauf ich gehofft hatte. Es war Mitleid, für das er sich entschieden hatte, sobald deutlich wurde, dass ich nicht die Absicht hatte, die italienische oder von mir aus polnische

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