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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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Bestimmt gab er den minderjährigen Schulmädchen, die er sich auf dem Friedhof zu Willen gemacht hatte, Lektürelisten mit auf den Weg, bevor er das Kleingeld für die Busfahrkarte für sie zusammenkratzte und sie nach Hause zu ihren Eltern schickte.
    Pech, und das speziell für Elspeth, war, dass er es nicht dabei beließ, die Mädchen zur Kultur zu bekehren. Er musste sie auch zum Glauben an sich bekehren. Es gibt Grund zu der Annahme, dass er durch üble Nachrede seitens der Feministinnen auf dem Campus aus seinem Job vertrieben wurde. Ich entdeckte einige Artikel über ihn in der Studentenzeitung, die aus der Zeit datierten, als er den Dienst quittierte. Sie legen den Schluss nahe (ohne deutlich zu werden, aus Angst vor Klagen), dass er nicht nur eines der sexgierigsten Mitglieder eines sexgierigen Fachbereichs war (Literatur: Es liegt in der Natur des Gegenstands), sondern dass auch unter den Frauen und Studienanfängerinnen Briefe kursierten, in denen vor ihm gewarnt wurde, er sei ein Lehrer der schlimmsten Sorte: ein Herzensbrecher und Gunstverteiler, einer, der Seminararbeiten nicht danach beurteile, was auf der Seite stand, sondern wie die Verfasserin im Bett war. Das bezweifle ich. Er hatte sich viel zu sehr im Griff, um diese beiden Bereiche durcheinanderzubringen. Wenn schon, dann hätte er die Arbeit jeder Studentin, mit der er geschlafen hatte, schlechtgemacht, nur um seine intellektuelle Unvoreingenommenheit zu demonstrieren. Und natürlich, um zu beweisen, dass Leidenschaft ihm wenig anhaben konnte. Ich werte das als hysterische Verleumdung von der Art, wie sie damals häufig auf dem Universitätscampus grassierte. Aber ein Schuft ist und bleibt ein Schuft, wie immer sich die Einzelheiten auch darstellen; deswegen vermute ich, dass er durch Erpressung gezwungen wurde, seine Lehrtätigkeit aufzugeben.
    Hätte er die Sache ausgestanden und die Feministinnen agieren lassen, wie sie wollten – wenn Elspeth nicht gewesen wäre? Möglich. Den Lord Rochester einer der West-Midlands-Universitäten zu geben, damit hätte er leben können. Ein schlechter Ruf, besonders in dieser Hinsicht, hat einem Junggesellen noch nie geschadet, und wenn noch so viele Warnbriefe kursieren. Für Elspeth dagegen, die mal den Status einer Professorengattin eingenommen und auf Studenten wie auf Waisen- oder Findelkinder gerührt herabblickte, war das demütigend. Deswegen brachen sie ihre Zelte dort ab und zogen weg, was er ihr – aber das ist nur meine Theorie – nie hatte verzeihen können.
    Und sie ihm ebenfalls nicht. Ihren Freunden gegenüber, denen, die ihr noch verblieben waren, bezeichnete sie ihn als den finsteren Lord Morgoth. Als Kind hatte sie auf Tolkiens Schoß gesessen, hatte ihn später in Gesellschaft ihres Mannes wiedergetroffen, der vor Ehrfurcht zitterte, als er ihn ihr vorstellte, und im Nachhinein alles von ihm las. Es ist also möglich, dass die Wahl des Spitznamens Morgoth durch ihre Vorliebe für Tolkiens Werk etwas gemildert wurde; wie Morgoth war auch Marius gefallen, von luftigen Höhen in die finsterste Tiefe, und trotzdem liebte sie ihn noch. Doch nannte sie ihn auch weiterhin Morgoth, obwohl sie wusste, wie sehr er sie dafür verachtete, dass sie Tolkien mit Literatur verwechselte; und das wiederum legt nahe, dass ihr Zorn auf ihn echt war.
    Unentwegt gerieten sie aneinander, Elspeth temperamentvoll und selbstentblößend, wie ihre rüschigen Kleider, Marius eisig und reserviert, wie Wasser aus einem kalten Quell.
    Â»Wenn ich gewusst hätte, dass es so kommen würde«, sagte sie zu ihm, brachte den Satz aber nicht zu Ende; und aus ihrem mädchenhaften Puffärmel schaute zu viel schlaffe Haut hervor.
    Â»Was hast du denn gedacht, Elspeth?«, fragte er, sie kränkend, indem er ihren Namen aussprach und Gift und Galle dabei spuckte.
    Â»Ich dachte, es würde schön werden. Ist das zu viel verlangt?«
    Â»Schön? Wir haben uns zerfleischt. War das vielleicht schön?«
    Â»Wir haben uns geliebt, Marius. Wir haben uns Versprechungen gegeben.«
    Â»Das war in einem anderen Land«, sagte er und überließ es ihr, das Zitat zu vervollständigen.
    Es war ein Zeichen dafür, wie schlecht es zwischen ihnen stand. Beide konnten Angefangenes nicht beenden.
    Sie verließ ihn nicht, mochten seine Gefühle für sie auch noch so erkaltet sein. Sie hatte schon mal einen Mann verlassen

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