Liebesdienste / Roman
gewesen.
Beute,
sagte Tatiana und lachte.
Sie gingen in ein altes, teures Café, und Gloria teilte die Obligationen zwischen ihnen auf. »Eine für Sie, eine für mich«, sagte sie. Tatiana steckte ihre in ihren BH , und Gloria folgte ihrem Beispiel. Dann schaltete Gloria ihr Handy wieder ein und hörte die Nachrichten auf ihrer Mailbox ab. Eine stammte von dem Mann der Sicherheitsfirma, der sich wunderte, wo sie war und warum man ihr Haus mit Polizeiband abgesperrt hatte. Eine Nachricht war von Emily, die sich gereizt zeigte angesichts der bevorstehenden Wiederkunft Christi. Das Krankenhaus hatte ebenfalls eine Nachricht hinterlassen. Gloria nahm ein zweites Handy aus der Tasche und hörte die eine Botschaft ab, die sich auf der Mailbox befand. Sie hatte seit Dienstag mit dieser Nachricht gerechnet, und sie bestätigte den Anruf des Krankenhauses.
Es war etwas von großer Tragweite geschehen. Etwas Endgültiges.
»Graham ist tot«, sagte sie, aber sie sprach mit sich selbst. Tatiana war verschwunden.
Gloria ließ sich Zeit mit dem Kaffee. Sie aß ein ausgezeichnetes Stück »Torte Eglantine« dazu, und als sie zahlte, gab sie ein großzügiges Trinkgeld. Sie dachte daran, dass Freitag war, Beryls Tag, und fragte sich, ob ihrer alten Schwiegermutter auffallen würde, dass sie nicht gekommen war.
Auf der Straße schob sie das zweite Handy tief in den erstbesten Abfalleimer. Er würde bestimmt bald geleert werden, die Schweizer waren schließlich berühmt für ihre Sauberkeit. Was sie bislang von dem Land gesehen hatte, gefiel ihr. Vielleicht sollte sie auf dem Land ein Häuschen aus dunklem Holz kaufen mit Blumenkästen voller Hängegeranien im Sommer und frischem weißem Schnee auf dem Dach im Winter. Und einem Korb Kätzchen, die neben einem Holzofen schliefen.
Es gab viel zu tun. Sie würde durch die Welt ziehen und Unrecht wiedergutmachen. Legionen von Kätzchen, Pferden, Sittichen, verstümmelten Jungen, ermordeten Mädchen, sie alle riefen sie.
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.
Die Bösen würde sie das Fürchten lehren. Sie wäre schon zu ihren Lebzeiten eine Legende. Sie wäre kosmische Gerechtigkeit. Das sollte definitiv mit Großbuchstaben gesagt werden. KOSMISCHE GERECHTIGKEIT . Unbestreitbar und unbestritten: Kosmische Gerechtigkeit war eine gute Sache.
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J ackson kam bis zum Scotch Corner, bevor er umkehrte und nach Norden zurückfuhr. Er musste feststellen, dass er doch nicht einfach so in den Sonnenuntergang fahren konnte. Martin hatte ihn um Hilfe gebeten, und er hatte zugestimmt. Der Mann hatte sein Leben gerettet und brauchte ihn als Zeugen, und davor konnte man nicht einfach davonlaufen.
Der Engel des Nordens kam wieder in Sicht, breitete die rostroten Flugzeugflügel schützend über das Land. Jackson war vom rechten Weg abgewichen, aber das war in Ordnung, er hatte wieder zurückgefunden.
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W ie sich herausstellte, brauchte er die Pistole nicht. Die einzig mögliche Erklärung für ihr Verschwinden war, dass Martin sie im Hotelzimmer an sich genommen hatte, bevor er ihm den präparierten Drink unterjubelte. Er hätte nachsehen sollen, bevor er das Hotel verließ. Das war ein Fehler gewesen. In seinem Beruf war kein Platz für Fehler. Vielleicht war es an der Zeit, dass er etwas anderes tat, eine andere Richtung einschlug, den Universitätsabschluss machte, eine Straußenfarm gründete, ein Bed and Breakfast eröffnete. Verrücktes Geschwafel, Ray.
Als er die Schachtel schließlich öffnete, befand sich statt der Pistole eine Bibel darin. Die Golftrophäe lag unschuldig darauf, ein ganz klein bisschen schief, so dass man sah, dass der kleine Golfspieler aus Chrom den Ball nicht richtig treffen konnte. Ray hatte ein paarmal Golf gespielt, es hatte ihm gefallen, die Kraft des Schlags, die Präzision des Zielens. Es kam seiner natürlichen Begabung entgegen. Er hatte die Trophäe in einem Wohlfahrtsladen gekauft. Irgendein hungerndes Kind irgendwo auf der Welt profitierte. Ein Cent vom Preis der Golftrophäe eines alten Opas. R. J. Benson. Wer war er gewesen, wie war sein Leben verlaufen? Die Trophäe war von 1938. Hatte R. J. Benson im Krieg gekämpft, war er gefallen? Oder hatte er alle, die er kannte, überlebt und war allein gestorben? Würde ihm das auch passieren? Nein, vorher würde er sich das Gehirn aus dem Kopf pusten. Was du nicht willst, dass man dir tu’.
Er konnte sich allerdings vorstellen, dass es
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