Liebeserwachen in Virgin River
haben meine Eltern mir erlaubt, Kunstgegenstände mit Symbolen zu verzieren, die an Touristen verkauft wurden, die das Reservat besuchten. Ich stamme aus einer Familie von Ranchern. Sie haben getan, was sie konnten, um über die Runden zu kommen, bis dahin allerdings hatte noch niemand an Kunst gedacht. Das lag ganz einfach nicht in ihrem Erfahrungshorizont. Und wo malen Sie am liebsten?“
„Ich bin gern bei natürlichem Sonnenlicht oben auf einem Berg, aber im Haus der Frau, mit der ich zusammen bin, habe ich auch ein Zimmer, in dem ich gut arbeiten kann. Trotzdem gehe ich zum Malen noch immer gern ins Freie, wenn das Wetter es zulässt. Und ich streife mit der Kamera durch die Natur, um Schnappschüsse von wilden Tieren zu bekommen.“
„Ein paar der Bilder, die Sie mir per E-Mail geschickt haben, interessieren mich. Sie sind sehr gut.“
„Bislang habe ich sie noch keinem Profi gezeigt. Und nachdem ich jetzt Ihre Arbeiten gesehen habe, kann ich gar nicht fassen, dass ich so dreist sein konnte. Jedenfalls finde ich, dass mir Tiere am besten gelingen, nachdem ich vieles andere ausprobiert habe.“ Er grinste fast scheu. „Falls Sie jemals einen Kunden haben, der sich für Fluggeräte interessiert, da bin ich auch nicht schlecht. Ich habe mal ein ganzes Wandgemälde von einem Black Hawk anfertigt.“
„Und wie sehen Ihre Pläne in Bezug auf Ihre Favoriten aus, ich meine die Tierbilder?“, erkundigte sich Shiloh.
„Als Erstes? Ich habe vor, nach Afrika zu reisen … eine Fotosafari in der Serengeti. Das Großwild – Löwen, Gazellen, Tiger, Elefanten und so weiter – und die Landschaft, in der sie leben. Eigentlich habe ich nur ein Ziel, nämlich mich zu verbessern.“
Shiloh lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Und wie kommt ein sechsjähriger Junge in die Serengeti?“
„Durch weitere vierunddreißig Jahre?“, antwortete Colin fragend.
Shiloh nickte. „Ich hoffe, Sie brauchen keine vierunddreißig Jahre, mir das alles zu erzählen, doch lassen Sie die wichtigen Dinge nicht aus.“
„Und woher soll ich wissen, was wichtig ist?“
Träge lächelte Shiloh. „Das werden Sie wissen.“
Also legte Colin los. Fünfzehn Minuten verwandte er auf seine Kunst in der Highschool und seine Zeit in der Army, in der er nur nebenher gezeichnet und gemalt hatte. Anschließend berichtete er vierzig Minuten von der Zeit seines Absturzes, seiner Genesung und seinem befristeten Aufenthalt in Virgin River. Und schließlich erzählte er, wie Jillian darauf bestanden hatte, dass er herausfand, ob seine Arbeit etwas wert sei, und dass er schließlich widerstrebend eingewilligt hatte, sich einmal zu informieren.
„Ich nehme an, Sie haben eine Ausrüstung dabei?“
„Sie meinen, eine Malausstattung?“, fragte Colin.
Shiloh nickte. „Um unterwegs mal anhalten zu können, wenn Sie ein schönes Plätzchen gefunden haben oder Sie sonst etwas interessiert.“
„Ja.“
Shiloh Tahoma erhob sich. „Dann lassen Sie sich von mir zu einem meiner Lieblingsplätze führen.“
„Wollen Sie nicht lieber erst einmal einen Blick auf meine Sachen werfen, bevor Sie Ihre Zeit verschwenden?“
„Das wird keine Zeitverschwendung sein. Haben Sie Ihr Auto an der Straße geparkt?“ Als Colin nickte, erklärte Shiloh: „Ich fahre einen weißen Geländewagen und werde von hier hinten in die Straße einbiegen, dann können Sie mir folgen.“
Colin blieb allein im Atelier zurück, während Shiloh Tahoma durch die Hintertür verschwand. Leicht verwirrt, weil er nicht begriff, was das sollte, ging er nur sehr langsam durch die Vordertür nach draußen. Samantha unterhielt sich in der Galerie mit einem Mann, der ein Kunde sein mochte, ein Nachbar oder ein Freund. Sowie sie Colin entdeckte, unterbrach sie das Gespräch, legte den Kopf zur Seite und schaute ihn lächelnd an. „Ihr Vater … Er will mir einen Platz zeigen. Ich glaube, um dort zu malen.“
Samantha lächelte, nickte und wandte sich wieder ihrem Gespräch zu.
Als Colin endlich in seinem Jeep hinter dem Steuer saß, stand Shiloh mit seinem SUV auch schon neben ihm und wartete. Colin folgte dem Navajo etwa dreißig Minuten aus dem Ort hinaus in die Wüste, durch die roten Felsen von Sedona und eine Bergstraße hinauf. Schließlich fuhr der Künstler auf den Seitenstreifen. Die ganze Fahrt über hatte Colin sich gefragt, was das alles sollte. War das irgendein Test? Wollte der Mann sehen, was er draufhatte? Was erwartete dieser Navajo von ihm?
Nachdem der
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