Liebeserwachen in Virgin River
sie?“
„Ich denke schon. Mein Name ist Colin Riordan.“
„Aber natürlich“, erwiderte sie lächelnd. „Kommen Sie herein. Er ist hinten. Ich bringe sie zu ihm.“
Auf dem Weg zum Hinterzimmer der Galerie hatte Colin nur einen kurzen Moment Zeit, sich im Verkaufsraum umzuschauen, in dem es noch sehr viel mehr als nur diese unglaublichen Ölgemälde gab … Schmuck, Traumfänger, Mobiles, Fotografien, Postkarten, Bücher, massenhaft Druckgrafiken, bemalte Steine, Türkise. Eine Menge Türkise. Und er entdeckte eine Glasvitrine, in der anscheinend Silberschmuck lag.
Aber all dies nahm er nur im Vorbeigehen wahr, während er der jungen Frau folgte. Tatsächlich war der Verkaufsraum recht klein, im Gegensatz zu dem Zimmer, das sich daran anschloss und das sie nun betraten. Es war ein Atelier, in dem überall Gemälde herumstanden, an denen noch gearbeitet wurde. Es war mit einer kleinen Einbauküche, Tisch und Stühlen, einem Badezimmer, vielen Regalen und Wandschränken ausgestattet.
„Dad, Mr Riordan ist hier.“
Dad? überlegte Colin.
Ein sehr großer Mann, dem ein langer schwarzer Zopf über den Rücken fiel, schaute von der Arbeit auf, die ihn gerade beschäftigt hatte. Dabei handelte es sich um ein abstraktes Gemälde in verrückten Farben, das eine amerikanische Ureinwohnerin und ihr Kind zeigte. Staunend starrte Colin es an. Mit abstrakter Kunst hatte er keinerlei Erfahrung; daher wusste er auch nicht, ob es allgemein als gut gelten würde, aber er fand es faszinierend. Damit war seine Überraschung komplett.
„Ich freue mich, Sie persönlich kennenzulernen, Colin“, begrüßte ihn Shiloh, wischte sich die Finger ab und schüttelte Colin die Hand. „Lassen Sie uns einen Kaffee trinken und reden.“
„Ich störe Sie bei der Arbeit“, entschuldigte sich Colin.
„Die läuft mir nicht weg. Ich will hören, was Sie zu Ihrer Malerei zu sagen haben. Wie trinken Sie Ihren Kaffee?“
„Mit etwas Sahne oder auch Milch“, antwortete Colin, wobei er dachte: Was gibt es da zu reden? Nachdem er die Gemälde im Ausstellungsraum gesehen hatte, war er völlig verunsichert. Dieser Mann war ein Genie. Seine eigene Malerei konnte er vergessen. Das Einzige, was ihn jetzt noch interessierte, war, warum dieser Navajo in zwei völlig verschiedenen Kunstgenres arbeitete.
Doch Colin hielt den Mund, nahm seine Tasse entgegen und setzte sich in diesem Atelier auf einen Stuhl an den Tisch. „Ihre Tochter ist eine bezaubernde junge Frau.“
„Danke. Sie ist jetzt dreiundzwanzig und eine absolut eigenständige Künstlerin, auch wenn sie immer noch sehr viel experimentiert. Ich habe drei Töchter im Alter von siebzehn, zwanzig und dreiundzwanzig. Sie alle helfen hier hin und wieder aus, aber Samantha ist mit wahrer Leidenschaft dabei. Eines Tages möchte sie ihre eigene Galerie besitzen.“
„Dieses Gemälde“, begann Colin und deutete auf das abstrakte Werk. „Im vorderen Teil konnte ich nichts Vergleichbares entdecken. Es ist ein völlig neuer Ansatz in der indianischen Kunst. Kann es sein, dass Sie experimentieren?“
Shiloh schüttelte den Kopf und goss etwas Milch in Colins Kaffee. „Das ist etwas, was ich einfach gern mache, und ich glaube auch, dass ich gut darin bin. Allerdings bin ich nun einmal ein Navajo und in der Lage, authentische indianische Kunst herstellen. Es ist das, was die Leute, die mich und meine Galerie kennen, von mir erwarten. Damit will ich mich nicht beklagen. Diese Kunst liegt mir und sie wird immer einen besonderen Platz in meinem Herzen einnehmen. Es war das Erste, was ich verkaufen konnte, und in bestimmten Kunstkreisen habe ich mir damit einen gewissen Ruf erworben. Ich freue mich, sie anbieten zu können, und gebe mein Bestes. Aber die abstrakte Malerei ist etwas Besonderes und lässt mein Herz ein wenig höherschlagen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wer weiß, warum!“
„Die Bilder, die Sie im Schaufenster der Galerie ausgestellt haben, sind so gut, dass ich mich schon gar nicht mehr hereinwagen wollte. Ganz bemerkenswerte Arbeiten.“
„Danke. Damit kann ich meine Rechnungen bezahlen. Andere Sachen, wie das hier, gehen nach Los Angeles.“ Shiloh setzte sich Colin gegenüber an den Tisch. „Wann haben Sie das erste Mal bemerkt, dass Sie malen können?“
Colin trank einen Schluck Kaffee. „Mit sechs?“, antwortete er. „Mehr oder weniger. Und Sie?“
Shiloh lächelte. „Auch etwa in dem Alter, glaube ich. Als ich anfangs eine gewisse Neigung erkennen ließ,
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