Liebeserwachen in Virgin River
erklärt, dass sie mal eine Weile allein sein müsste – oder so was in der Art.“
Luke richtete sich auf. „Ist sie denn nicht allein genug, wo mein Bruder jetzt in Afrika ist?“
„Klingt ganz so, als würde sie ihn vermissen, doch das ist ja nichts Neues.“
Eine ganze Weile blieb Luke still, ohne sein Glas noch einmal anzurühren. Seine Miene verdüsterte sich. Schließlich packte er zwei Dollar auf den Tresen und stand auf. „Ich muss gehen. Danke, Jack.“
Nun war Jack völlig verärgert. „Trinkt denn niemand hier sein Bier auch mal aus?“
Es war kurz nach vier am Nachmittag, als Luke in die Zufahrt einbog, die zu dem viktorianischen Haus führte. Colin war jetzt drei Wochen unterwegs. Luke machte sich Vorwürfe, weil er nicht früher vorbeigeschaut hatte. In der ersten Woche hatte er Jillian einmal angerufen, und sie hatte ihm versichert, alles sei in Ordnung, auch wenn sie Colin vermisste. Komischerweise tat Luke das auch! In der zweiten Woche hatte er Denny zufällig in der Bar getroffen, und der junge Mann hatte ihm erzählt, dass Jillian ein wenig still geworden sei, aber das war nun keine große Überraschung. Ansonsten hatte er von keinen Problemen berichtet.
Aber Luke hatte sie seit Colins Abreise nicht mehr besucht, und das war durch nichts zu entschuldigen. Selbst wenn Colin so dumm war, sie sechs Monate allein zu lassen, um sich auf einem anderen Kontinent zu amüsieren, war sie immer noch seine Frau. Es war eine unausgesprochene Vereinbarung zwischen den Männern der Familie Riordan – sie kümmerten sich gegenseitig um ihre Familien. Und was Colin betraf, kam Jillian dem so nahe, wie noch keine Frau zuvor.
Luke fuhr am Haus vorbei nach hinten durch, denn er erwartete, Jillian im Garten zu finden. Aber sie saß dort auf der Veranda in einem Stuhl im Schneidersitz, eingewickelt in eine bunte Patchworkdecke, die sie sich um die Schultern gelegt hatte und unter der große Fellpantoffeln hervorlugten.
Er grinste kurz, während er aus dem Truck stieg, aber dann verging ihm langsam das Lachen, denn sie sah nicht besonders gut aus. Und sie trug noch immer ihren Pyjama, wobei sie sich wohl kaum so früh umgezogen hatte, um ins Bett zu gehen. Da war es schon eher wahrscheinlich, dass sie sich morgens gar nicht erst angezogen hatte. Vielleicht sogar nicht nur diesen einen Tag.
Er lief die Treppe hinauf, trat auf die Veranda und musterte ihr ausgemergeltes Gesicht mit den Tränenspuren. „Ach, Süße …“
Mehr brauchte es nicht; schon bebten ihre Schultern unter der Anspannung bei dem Versuch, nicht laut zu schluchzen. „Wage es …“, warnte sie ihn in einem angestrengten Flüstern. „Wage es nicht, ihm das zu sagen!“
„Komm her“, meinte er und fasste nach ihrer Hand. Ihr blieb kaum eine andere Wahl, als ihm zu folgen und aufzustehen. Dann setzte er sich auf den Stuhl, nahm sie auf den Schoß und hielt sie wie ein kleines Kind in den Armen. „Es ist ganz bestimmt kein Verbrechen zu weinen, wenn man jemanden vermisst.“
Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und schluchzte. „Ist es doch “, presste sie hervor. „Denn ich weiß, was er braucht. Wirklich ! Das ist so wichtig für ihn. Ich wünsche mir so sehr, dass er das findet. Er soll sich wieder hundertprozentig ganz fühlen können, das Gefühl haben, dass er wieder er selbst ist!“
„Aber für dich scheint das nicht zu funktionieren, Jillian. Du brichst hier zusammen.“
„Genau deshalb darfst du ihm das nie und nimmer erzählen! Es war das, was er am meisten an mir geliebt hat, dass ich stark genug war, ihn zu ermutigen, zu tun, was er tun musste. Und wenn es für ihn notwendig war, zu gehen, wollte ich, dass er ging.“
„Schon mal daran gedacht, ihm zu sagen, was du brauchst?“
Sie schüttelte den Kopf. „Du meinst, was ich mir wünsche? Auf keinen Fall möchte ich einen Mann, der macht, worum ihn eine Frau bittet, wenn in seinem Innern dabei etwas leer und unerfüllt bleibt. Das wäre, als würde ich ihn bitten, etwas aufzugeben, was so wichtig für ihn ist, nur damit es mir besser geht. Das könnte ich Colin nicht antun …“
„Jill, du hättest ihm sagen müssen, dass du ihn liebst.“
„Natürlich habe ich ihm gesagt, dass ich ihn liebe. Dass ich ihn liebe und will, dass er alles kriegt, was er benötigt. Luke, dieser Unfall … das hat ihn mehr gekostet, als wir uns überhaupt vorstellen können. Dabei wurden ihm nicht nur die Knochen gebrochen, sondern er ist zerbrochen. Wenn er sein altes Ich
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