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Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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seine Mundwinkel Gefahr liefen, jeden Moment einzureißen.
    „Meine Schwiegereltern haben sich entschlossen, umzuziehen. Wird ihnen zu viel mit den ganzen Treppen im Haus. Jetzt haben sie eine schöne Wohnung in einem anderen Stadtteil gefunden, alles zu ebener Erde. Freut mich wirklich für sie.“
    Natürlich, kein Wunder, dass Weber erleichtert war, dachte Anna. Bisher hatte er mit den Eltern seiner Frau Rita Tür an Tür gewohnt. Und obwohl sie selten über Privates miteinander sprachen, hatte Anna doch mitbekommen, wie sehr Rita Weber ständig an den Arbeitszeitenihres Mannes herummäkelte. Wahrscheinlich hatten Webers Schwiegereltern ihre Tochter von jeher in ihrem Zorn gegen ihren Mann bestärkt, vielleicht sogar nicht nur in diesem Punkt.
    Gerade eben hatte sich Weber die Brieftasche des Toten vorgenommen, und schon schwenkte er einen Personalausweis durch die Luft. Das Foto auf der Vorderseite zeigte das Gesicht des Ermordeten. Der Pass war auf den Namen Rainer Herold ausgestellt, geboren im August 1972. Demnach war er zum Zeitpunkt seines Todes fünfunddreißig Jahre alt gewesen. Als Wohnsitz war Maschen, ein Dorf südlich von Hamburg, eingetragen.
    In der Brieftasche befanden sich an die zweihundert Euro. Rainer Herold hatte einen deutschen sowie einen amerikanischen Führerschein bei sich gehabt und einige Schriftstücke, die darauf schließen ließen, dass er über einen zweiten Wohnsitz in New York verfügt hatte. Die zwei Schlüsselbunde, die vor ihnen auf dem Tisch lagen, sprachen ebenfalls dafür. Dann waren da noch Filterzigaretten, etwas deutsches, außerdem amerikanisches Kleingeld und ein silbernes Feuerzeug, auf dem das Monogramm RH eingraviert war. Eine handschriftliche Notiz, die nur aus dem einen Wort „Angela“ bestand, legten sie erst einmal zur Seite.
    Anna überlegte. Ihre Freundin Paula war doch gleichfalls eben erst fünfunddreißig geworden. Und sie war, wie der Tote, im selben Landkreis aufgewachsen, vielleicht hatte sie ihn sogar gekannt. Anna nahm sich vor, dieser Möglichkeit bei Gelegenheit nachzugehen.
    Unter der Anschrift in Maschen konnten vielleicht zudem noch die Eltern des Mordopfers vom Hamburger ZOB leben. Die angegebene Adresse war jedenfalls ihrerster Ansatzpunkt, um über den Mann, der an der Bushaltestelle verblutet war, etwas herauszubekommen. Und damit auch über seinen Mörder.
    Die Kommissare hielten vor dem Haus Nr. 43 in der Schulstraße, der Hauptgeschäftsstraße von Maschen, in die auch Anna öfter zum Einkaufen kam. Vor allem, um für Henry, ihren Hund, frischen Pansen zu besorgen. Gleich neben dem Hundefutterladen gab es ein gutes, wenn nicht sogar das beste Fischgeschäft des ganzen Landkreises. Erwin Nordmann stellte einen vorzüglichen Krabbensalat her, den Annas Familie sehr liebte. Zwei gute Gründe, ab und zu hierher zu kommen, obwohl Maschen schon lange nicht mehr so beschaulich war wie das Dorf, in dem die Kommissarin lebte. Viele der schönen alten Fachwerkhäuser hatten mit der Zeit einer modernen und zweckmäßigeren Bebauung weichen müssen.
    Nun standen die beiden Kommissare vor einem Einfamilienhaus, das von einem großen Garten umgeben war. Es war mit mittlerweile unansehnlich gewordenen Gelbklinkersteinen verblendet, aber ursprünglich in den sechziger Jahren gebaut worden, als die Grundstückspreise noch erschwinglich gewesen waren. Weber klingelte, während Anna hinter ihm stehen geblieben war, da der Aufgang zum Haus zu schmal für zwei Personen war. Eine ältere Frau, die Anna schon öfter im Ort gesehen hatte, öffnete die Haustür. Weber zückte seinen Dienstausweis.
    „Lukas Weber vom LKA Hamburg, und das ist meine Kollegin Anna Greve.“
    Die Frau bat ihre Besucher herein. Dann schloss sie die Tür und murmelte: „Bitte, hier entlang.“
    An der Treppe, die zum oberen Stockwerk hinaufführte, blieb sie stehen.

    „Paul, kommst du mal!“
    Sie bat die beiden Kommissare ins Wohnzimmer, in das kurz darauf auch ein schmächtiger Mann Ende sechzig trat, dessen schwere Schritte auf der Treppe soeben noch eine ganz andere Erscheinung hatten vermuten lassen. Er blieb hinter seiner Frau stehen, die zusammengekauert auf einem rotbraunen Ledersofa saß, und wartete nicht, bis Anna oder Weber von sich aus zu sprechen begannen.
    „Ist etwas mit Rainer?“
    Weber kam Anna zuvor.
    „Es tut uns leid, aber wir haben Ihren Sohn heute Morgen tot aufgefunden. Er ist ermordet worden.“
    Paul und Hilde Herold sahen einander an. In ihren Blicken

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