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Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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Dienstausweis aus der Tasche und stellte sich vor.
    „Es geht um vorgestern Abend. Genauer, um zwei Ihrer Gäste.“
    Sie stand auf und ging zum Tresen hinüber, damit sie nicht alles zweimal sagen musste. Weber folgte ihr und übernahm nun die Beschreibung der unbekannten Frau, die sich Angela genannt hatte.
    Alfred Biesterfeld, der Wirt, konnte sich sofort an sie erinnern.
    „Eine hübsche Person“, sagte er. „Und nett dazu. Aber sie ist noch nie zuvor hier gewesen.“
    „Laut der Aussage eines Zeugen haben Sie sich ja sehr ausführlich mit ihr unterhalten.“
    „Das haben wir, bis Rainer Herold dazukam. Er hat ihr sofort ein Gespräch aufgezwungen, und ein paar Minuten später sind sie zusammen rausgegangen.“
    „Sie kennen Herrn Herold?“
    „Rainer turnte hier früher öfter rum, bevor er in die Staaten ging.“
    Jetzt meldete sich die Kellnerin zu Wort. „Ist Rainer etwa der Tote, von dem im Frühstücksfernsehen die Rede war?“
    „Wie kommen Sie darauf?“
    Elfi zupfte an ihrer Schürze herum. „Ich glaube, dass sein Name erwähnt worden ist. Außerdem wäre es doch einmerkwürdiger Zufall, dass Sie uns ausgerechnet heute besuchen und gleichzeitig nach Rainer fragen, oder?“
    „Herr Herold ist ermordet worden, deshalb sind wir hier. Die Frau könnte eine wichtige Zeugin sein.“
    „Dazu kann ich nichts sagen“, blaffte Elfi. „Außer, dass sie ziemlich arrogant daherkam, ist mir an ihr nichts weiter aufgefallen.“
    Anna wurde mit einem niederträchtigen Blick bedacht.
    „In diesem Punkt müsste sie sich gut mit Rainer verstanden haben. Obwohl wir uns seit Jahren nicht gesehen haben, schien er sich nicht besonders dafür zu interessieren, wie es den Leuten hier im Dorf so geht. Er ist sich schon immer als etwas Besseres vorgekommen.“
    Den Nachsatz, dass er nur bekommen hatte, was er verdiente, verkniff sich Elfi gerade noch. Trotzdem konnte Anna dem Gesicht der Kellnerin ansehen, dass sie genau das dachte. Mit der Kellnerin hatte sie einen bedauernswerten Menschen, getrieben von Neid und Eifersucht, vor sich. Die Art und Weise jedoch, in der Elfi die Unbekannte beschrieben hatte, ließ Anna Greve in einem sicher sein: Sie waren auf der Suche nach einer sehr schönen Frau.
    Elsa und ihre Mutter an einem Sonntagnachmittag in Maschen, im Frühjahr 1980.
    „Lass das!“
    Elsa fuhr herum, die mahnende Stimme hatte sie in die Gegenwart zurückgeholt. Jetzt sah Elsa auch den brennenden Vorwurf im Gesicht der Mutter und wusste, sie hatte etwas Verbotenes getan. Wie wenn sie mit vor Dreck starrenden Händen an den Mittagstisch gekommen wäre. Genau wie vor ein paar Tagen, als sie den verletzten Vogel mit nach Hause gebracht hatte. Doch worum ging es heute? Sie schämte sich, wie immer, wenn Vera in diesem Ton mit ihr sprach. Aber was hatte sie schon Schlimmes getan?
    Die Kinderhand unter die zu klein gewordene Strumpfhose geschoben, die Beine gemütlich in eine Decke geschlungen. In den Fernseher gestarrt, wo gerade eine Folge von „Herr Rossi sucht das Glück“ lief. Selbstvergessen mal das eine Bein zu sich herangezogen, dann das andere und dabei eine Stelle entdeckt, an der es kitzelte. So hatte sie weitergemacht, gar nicht gemerkt, wie sich die Decke über ihren Beinen bewegte. Da war etwas Neues gewesen, eine große Freude.
    Wie einen Tag ganz allein in einem Spielzeugladen sein und tun und lassen dürfen, was immer sie wollte. Wie vor einem Losstand auf dem Jahrmarkt stehen, die freie Auswahl in der Hand. So, wie an diesem Abend vor ihrem Geburtstag. Auf ihrem Weg zur Toilette hatte Elsa das Lachen ihrer Eltern durch die Wohnzimmertür gehört und sich vorgestellt, wie die beiden gerade dabei waren, ihren Gabentisch zu schmücken. Es war ein mächtiges Gefühl gewesen, eine ungeheure Vorfreude auf das, was in ihrem Leben noch kommen sollte.
    Jetzt stand die Mutter ganz nah bei ihr. Elsa hielt die Beine still. Vorsichtig, damit die Decke keine Wellen schlug, kramte sie ihre Hand hervor und begann, mit den Fingern das Blumenmuster nachzuzeichnen. Vera sah Elsa mit diesem strengen Mutterblick an, und sagte dann, bevor sie sich entfernte: „Tu das nie wieder.“
    Über die Sache, die sie nicht tun durfte, schwieg Vera, da musste sich Elsa nun selbst einen Reim drauf machen. Auf jeden Fall schien es um etwas Verbotenes zu gehen. Und auch um ein Geheimnis, vor allem, weil Vera ihrer Tochter nichts erklärte. Warum war es verboten, Spaß zu haben, indem man sich selbst berührte, fragte sich

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