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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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passenden Umschlag. Die Adresse der JVA Hannover fand sie im Telefonbuch.
    Sollte sie etwas in das Buch hineinschreiben?
    Auf keinen Fall. Worte, die man in ein Buch schrieb, bekamen einen feierlich-endgültigen Charakter, fast wie Worte auf einem Grabstein. Genau, das war es! Es wäre interessant zu erfahren, was sich ein Mörder auf den Grabstein schreiben würde. Sie würde ganz nonchalant an ihr Gespräch anknüpfen. Nur keine große Sache daraus machen.
    Sie nahm eines ihrer Kärtchen mit dem Aufdruck Mathilde Degen in Stahlstich. Von ihren fünf Füllern wählte sie den ebenholzfarbenen Faber , der seidenweich schrieb. Ihre Hand war ruhig, als sie in ihrer klaren, steilen Handschrift schrieb:
    Welche fünf Worte würden Sie auf Ihren Grabstein schreiben? Grüße, M. Degen
    Aber ihr Herz klopfte wild.
    Mathilde verbrachte die große Pause am liebsten draußen an der Luft. Da sich jedoch gerade ein Sommergewitter über der Stadt entlud, blieb nur das Lehrerzimmer. Jemand hatte die Tür nicht sorgfältig geschlossen, und als sich Mathilde näherte, war ihr, als hätte sie ihren Namen gehört. Sie blieb stehen.
    »… wird langsam ein wenig eigenbrötlerisch.«
    Die Stimme von Johann Isenklee, Englisch und Sozialkunde.
    »So ist das eben, wenn man keine Familie hat. Keine Ahnung vom Leben.«
    Hatte der Familienmensch Isenklee nicht letztes Jahr seine Frau wegen einer achtundzwanzigjährigen Referendarin verlassen?
    »Und dann diese Hüte, wie eine alte Jungfer«, bestätigte die Stimme von Corinna Roth, Latein und Geschichte. Ausgerechnet diese schlampige Fregatte mußte ihr Schandmaul an Mathilde wetzen! Corinna Roths Sohn war ein stadtbekannter Junkie und sie selbst schien nur auf ihre Frühpensionierung zu warten, um sich vollends dem Suff zu ergeben.
    »Hat sie schon eine Katze?« lachte eine junge Männerstimme.
    Auch du, mein Brutus, erkannte Mathilde betrübt die Stimme von Rolf Böhnert, dem Musiklehrer.
    »Von einem Mann ist jedenfalls nichts bekannt«, sagte die Roth. »Würde mich auch wundern bei dem Besen.«
    »Vielleicht ist sie eine von diesen Kampflesben«, lästerte Isenklee nicht eben taktvoll, wo doch eigentlich jeder wußte, daß Rolf Böhnert homosexuell war. Der lenkte prompt ab, indem er fragte: »Wie vielen Handys hat sie wohl in dieser Woche schon das Fliegen beigebracht?«
    Über Mathildes Nase grub sich eine steile, tiefe Falte ein. Im Grunde war sie unantastbar. Seit Jahren erzielten ihre Schüler mit Abstand die besten Noten. Ihre letzte Abiturklasse hatte als beste der Schule abgeschlossen und war die drittbeste Abiturklasse von Niedersachsen gewesen. Die Elternschaft schätzte Mathilde und legte Wert darauf, daß man ihren Kindern etwas abverlangte. Natürlich kam es hin und wieder vor, daß eine allzuzart besaitete Berufsmutter Mathildes Methoden rügte. Zu einer hatte Mathilde vor den Ferien gesagt: »Wenn Sie etwas gegen Leistung haben, sollten Sie Ihren Sohn in die Waldorfschule schicken. Dann kann er am Ende der Zehnten vielleicht schon seinen Namen tanzen.«
    Direktor Ingolf Keusemann hatte sie danach unter vier Augen um etwas Mäßigung im Umgang mit den Eltern gebeten. »Wir sind eine Privatschule, Mathilde. Wir leben vom Geld dieser Leute!«
    Mathilde war egal, ob man sie im Kollegium mochte oder nicht. Sie selbst konnte die meisten ihrer Kollegen ebenfalls nicht leiden. An der Spitze war man nun einmal einsam. Aber offensichtlich hatte Mathilde es mit der Diskretion übertrieben. Einem Ruf als verschrobene alte Jungfer oder gar als Lesbe galt es entgegenzuwirken. Allzurasch konnte sich daraus ein Autoritätsproblem ergeben.
    »Ihr seid wirklich armselig! Als ob es über euch nichts zu sagen gäbe«, mischte sich da eine zornige Stimme in die Unterhaltung ein.
    Die tapfere Leona Kittelmann. Immerhin.
    Ein Geräusch ließ Lukas aufhorchen. Zuerst hatte er nur das gewohnte Kettenrasseln, Schlüsselklirren, Türenknallen vernommen. Dazu die tranigen Stimmen der Männer, ihre schlurfenden Schritte, das Quietschen des Küchenwagens, Geschirrklappern, das Piepsen der Metallsonde vor der Station, das alles bildete einen Geräuschteppich mit vertrautem Muster. Es waren die Klänge, die einen den ganzen Tag über verfolgten. Dann aber: schwere Schritte, Winseln, das Geräusch von wetzenden Krallen. Er lächelte zufrieden. Auf Connys Wetterbericht war doch stets Verlaß.
    Türen wurden aufgerissen.
    »Raustreten, sofort raustreten! Haftraumkontrolle.«
    Lukas verließ seine Zelle und

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