Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
Vom Netzwerk:
prophezeit, warte es ab, du wirst noch bis zum Wahnsinn geliebt werden.
    Schau nur, wie gut er immer noch ist, sagt sie stolz, willst du ihn vielleicht zurückhaben, er hat dir immer so gut gestanden, und ich sage, um Gottes willen, nein, nicht dieses Ding mit den weiten Ärmeln, ich setze mich ihr gegenüber auf das Sofa, betrachte deprimiert die lächerliche Gestalt, eine zu dicke Frau in alten Kleidern, die nicht der Jahreszeit entsprechen, auch nicht ihrem Alter, und frage, worüber wolltest du mit mir reden?
    Papa hat mir von eurem Gespräch erzählt, sagt sie und seufzt, und ich unterbreche sie sofort, Gespräch? Seit wann nennt man so etwas Gespräch, es war eine Verwarnung, oder noch besser, eine Leichenrede, und sie sagt, gut, Ella, du kennst deinen Vater, er ist immer sicher, dass er Recht hat, daran wirst du nichts ändern, vor allem, weil er im Allgemeinen wirklich Recht hat, aber ich kann mir diese altbekannten Ausreden schon nicht mehr gelassen anhören, ich schreie sie an, genug mit diesem Persönlichkeitskult, weißt du überhaupt, wovon du redest, weißt du überhaupt, was er gestern zu mir gesagt hat? Und sie seufzt wieder, na ja, du kennst ihn doch, du weißt, dass er manchmal etwas extrem ist, er nimmt alles sehr ernst, aber das ist nur, weil er sich solche Sorgen macht, er macht sich Sorgen um dich und den Jungen.
    Das nehme ich ihm nicht ab, er macht sich nur Sorgen um sich selbst, sage ich, ich habe nicht vor, noch einmal mit ihm zu sprechen, weder darüber noch über etwas anderes, ich bin keine sechzehn mehr, er kann mir nicht mehr vorschreiben, was ich zu tun habe, ich werde Gili wie üblich zu euch bringen, aber mit ihm spreche ich nicht mehr, und sie senkt ihre erloschenen Augen, ihre Finger streicheln über die alte Wolle, hör zu, Ella, das ist es, was ich dir sagen wollte, deshalb bin ich hergekommen, es ist nicht so einfach, du wirst Gili in der nächsten Zeit nicht zu uns bringen können, er will ihn nicht sehen.
    Was heißt das, er will ihn nicht sehen, sage ich wütend, verleugnet er seinen einzigen Enkel? Ausgerechnet jetzt, da Gili eure Unterstützung braucht? Und sie windet sich, es ist nicht so, dass er nicht will, er sagt, er ist nicht in der Lage dazu, es fällt ihm schwer, den Kummer des Jungen zu ertragen, er hat Angst, ihm Schaden zuzufügen, gerade weil er sich solche Sorgen um ihn macht, verurteile ihn nicht, Ella, das gehört sich nicht, und ich fauche sie an, ich soll ihn nicht verurteilen? Früher hast du ihn nicht so glühend verteidigt, früher hast du dir gern von mir angehört, wie schlimm ich sein Verhalten fand, wenn er dich verletzt hat, und jetzt, da er mich verletzt, soll ich das einfach akzeptieren, und du bist auf seiner Seite?
    Ich bin nicht ganz auf seiner Seite, murmelt sie, er verlangt von mir, dass ich ihm verspreche, euch auch nicht zu sehen, aber mach dir keine Sorgen, ich werde zu euch kommen, wenn er im Ausland ist, ein Glück, dass er so oft verreist, oder wenn er schläft. Aber wenn er schläft, schläft Gili auch schon, protestiere ich, was soll dieser Blödsinn, willst du damit sagen, dass du es ihm versprochen hast? Und sie sagt, ich hatte keine Wahl, du weißt, wie er ist, und wenn er etwas will, kann man ihm nicht widersprechen, aber ich werde zu euch kommen, ohne dass er es erfährt, ich werde sagen, dass ich einkaufen gehe, und ich werde herkommen, um Gili zu sehen, ein Glück, dass wir so nahe beieinander wohnen, ermutigt sie sich. Kochend vor Zorn stehe ich vor ihr, ich brauche deine heimlichen Besuche nicht, was bin ich für dich, ein Liebhaber, den man nur sehen kann, wenn der Ehemann nicht da ist? Begreifst du überhaupt, was du da sagst? Ich verstehe das nicht, wenn er sich wirklich Sorgen um den Jungen macht, warum ist er dann unfähig, ihm zu helfen, Gili hängt so sehr an ihm, er müsste jetzt eine Quelle der Stärke für den Jungen sein, Gilis Familie bricht auseinander, was spielt es da für eine Rolle, ob es ihm schwer fällt oder nicht, er soll sich zusammennehmen, und sie sagt, vermutlich identifiziert er sich zu sehr mit ihm und kann ihm deshalb nicht helfen, aber reg dich nicht so auf, das geht bestimmt vorbei, in ein paar Wochen wird er sich beruhigt haben und alles wird wieder gut, nimm es doch nicht so schwer.
    In ein paar Wochen werde ich nicht mehr wissen, wer ihr überhaupt seid, schreie ich, und auch Gili wird euch schon vergessen haben, du weißt doch, wie das bei Kindern ist, sie haben ein kurzes Gedächtnis, geh

Weitere Kostenlose Bücher