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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Verfügung, ihr könnt heute Abend nicht mit mir machen, was ihr wollt, denn diese Nacht ist nicht wie alle anderen Nächte.
    Ella, gib Antwort, ich weiß, dass du zu Hause bist. Amnon war gerade bei mir, er ist wirklich fix und fertig, du musst ihn anrufen, ich habe Angst, dass er sich etwas antun könnte. Glaub mir, ich würde so etwas nicht einfach dahinsagen. Ich kenne ihn schon, seit er sechs war, und ich habe ihn noch nie in einem solchen Zustand gesehen. Ella, überlege dir gut, was du tust, trotz allem ist er der Vater deines Kindes. Willst du, dass dein Sohn ohne Vater aufwächst? Du solltest ihm noch eine Chance geben, sonst bereust du es vielleicht später.
    Ella, hier ist wieder Gabi. Schade, dass du nicht abnimmst. Ich verspreche dir, dass er sich anstrengen wird. Ich weiß, dass du es nicht leicht hast mit ihm, aber er liebt dich wirklich. Vielleicht versucht ihr es mit einer Paartherapie. Was hast du denn zu verlieren? Schon wegen Gili solltest du alles versuchen, sonst wird es dir dein ganzes Leben lang Leid tun.
    Ella, hier ist Talja. Amnon ist gerade weggegangen. Er hat mich gebeten, mit dir zu sprechen. Ehrlich, ich mache mir wirklich Sorgen um ihn, obwohl ich auf deiner Seite stehe. Mach keinen Blödsinn. Gib der Sache noch eine Chance. Ruf mich an, wenn du das hörst. Küsse.
    Und da ich nicht antworte, bleiben ihre Stimmen um mich, bohren sich in meine Gelassenheit, niemand wehrt sie ab, niemand vertreibt sie, sie spazieren in der Wohnung herum, greifen an, drohen, und schon bin ich nicht mehr allein, so wie ich es gewollt habe, gegen meinen Willen beherberge ich Gabi, gegen meinen Willen habe ich Talja zu Gast, ich höre ihre Vorwürfe und antworte nicht, und ich sehe den Moment voraus, in dem ihre Stimmen zu meiner Stimme werden.
    Mir scheint, als hätte ich nur eine Antwort für sie, aber ausgerechnet die kann ich ihnen nicht geben: Als ich ein Mädchen war, hatte ich keinen Ehemann, ich habe allein geatmet, ich habe mich allein in die staubigen Höhlen der Bücher versenkt, habe allein die Kinderkriege ausgefochten, bin allein barfuß über glühende Sandwege gelaufen, bin allein in einer bewölkten Nacht über einen Zaun geklettert, umgeben von gelben duftlosen Jasminblüten.
    Guten Tag, Ella, hier ist Michal, die Mutter von Jotam aus der Schule. Jotam lädt Gili für morgen Vormittag ein. Wenn du keine Zeit hast, ihn zu bringen, können wir ihn abholen. Ruf bitte zurück.
    Ella, ich muss dringend mit dir sprechen. Ich versuche, später bei dir vorbeizukommen, wenn Papa schlafen gegangen ist. Ich muss dir etwas Wichtiges sagen.
    Aber als ich ein Kind war, hatte ich keinen Ehemann, wie konntest du das vergessen, Mama, du hattest einen Mann, nicht ich, und das war fast der einzige Unterschied zwischen uns, denn auch du wolltest ein Mädchen sein und bist mit mir in die Orangenplantage geflohen, hast an meinem einsamen Versteckspiel teilgenommen, denn ich konnte mich manchmal vor ihm verstecken, du aber nie, und dort hast du die Beleidigungen, die du erfahren hast, vor mir ausgebreitet, du hast mich zur Richterin gemacht, und dein Leid hat zwischen den Bäumen gejammert wie ein Schakal, was hätte ich dir anbieten können, nur meine Zuneigung, genau wie du mir deine angeboten hast, immer heimlich und immer zu einem hohen Preis.
    Sie kommt tatsächlich, ohne anzuklopfen platzt sie herein, als wäre meine Wohnung auch die ihre, mein Leben das ihre, in einen Mantel gehüllt, obwohl noch lange nicht Winter ist, sie verströmt den starken Geruch der gebratenen Hühnerkeulen, die sie, einander gegenübersitzend, gegessen haben, er redend und sie ihm lauschend, seinen Teller füllend und nickend, und unter dem Mantel, über den schweren Hüften, trägt sie ihre enge Wollhose und den dicken geschmacklosen Pullover, den sie vor vielen Jahren für mich gestrickt hat, wie du siehst, sagt sie stolz, werfe ich nichts weg, erinnerst du dich, dass ich diesen Pullover mal für dich gestrickt habe, es hat mich Monate gekostet. Ich betrachte die grellen Farben, Olivgrün neben Rot und darunter ein Streifen Gelb, so hast du mich zur Klassenfeier geschickt, und ich habe dir geglaubt, dass dies der allerschönste Pullover sei und ich das allerschönste Mädchen sein würde, und nur in deine Arme konnte ich zurückkehren, mein beschämtes Gesicht hinter den lächerlich weiten Ärmeln versteckt, nur mich hat keiner zum Tanzen aufgefordert, nur mit mir hat keiner gesprochen, und du hast mich getröstet und mir

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