Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
verbirgt, sich bückt und den Jungen herunterlässt, und als ich bei ihnen ankomme, reicht Gili mir die eine Hand, die andere greift nach Amnon, und er sagt, ihr seid die besten Eltern der Welt, besser als alle anderen Eltern, und ich ziehe bei diesem plötzlichen Lob unbehaglich die Schultern hoch, versuche, das Ausmaß des Zorns abzuschätzen, das sich hinter diesen Worten verbirgt. Ja, wiederholt er vor unseren düsteren Gesichtern, wirklich, ich weiß, dass ich euch manchmal ärgere, aber denkt daran, dass ich euch am liebsten habe auf der ganzen Welt, und ihr tut so viel für mich, und ich bringe ihn mit unterdrückter Ungeduld zum Schweigen, es fällt mir schwer, auch nur ein weiteres Wort von ihm zu ertragen, es wäre mir lieber, er würde uns beschimpfen, mit den Fäusten nach uns schlagen, und so gehen wir schweigend weiter, durch seinen schmalen Körper strömt, gegen seinen Willen, die feindliche Stimmung zwischen uns, ganze Reihen von Familien gehen auf ihrem Heimweg von der Synagoge an uns vorbei, die Parfüms der Frauen mischen sich mit den Stimmen der Kinder, sie gehen mitten auf der Straße und machen den wenigen Autos nur unwillig Platz, denn sogar auf der Hauptstraße gibt es kaum Verkehr, es ist, als würde die Stadt endlich still, wie ein Kind, das aufgehört hat zu weinen und das nur noch von seinen schnellen Atemzügen an den vergangenen Schmerz erinnert wird.
Die schmalen Hüften des Jungen zittern im Abendwind, und ich drücke ihn an mich, auf den Bergrücken im kahlen Osten werden Lichter angezündet, eines nach dem anderen, bunt wie Bonbons mit dem Geschmack von Zitronen, Orangen, Trauben und Himbeeren, ein dickflüssiges Licht ergießt sich über die Mauern, als bräche es aus dem Bauch der Erde, es spitzt die Kreuze, die sich auf den Kirchtürmen erheben, wie jene drohenden Holzkreuze, die die Römer auf den Hügeln um die belagerte Stadt errichteten, um den Aufständischen Angst einzujagen und ihnen zu zeigen, welches Ende sie erwartet, falls sie sich nicht ergeben. Heiligtum des Königs, Residenzstadt, auf, erhebe dich aus der Zerstörung, du hast lange geweilt im Tale des Weinens, er erbarmt sich über dich in Liebe.
Schon öffnet sich die Tür zum Treppenhaus vor uns, und Gili zieht uns beide hinter sich her, aber ich sage schnell, mit entschlossener Stimme, wie seine neue Lehrerin, Papa kommt nicht mit uns rauf, Gili, er geht jetzt, morgen wird er kommen und dich für ein paar Stunden abholen, und zu meinem Erstaunen fängt Amnon nicht an zu streiten, mit starrer Miene beugt er sich über ihn, küsst ihn auf die Stirn und rennt fast weg, ohne etwas zu sagen, zu schnell, um Gilis plötzliches Weinen zu hören.
Es wuchs in mir heute Abend ein steinernes Herz, schwer und verschlossen, ich wies seine Tränen zurück, die um Erbarmen flehten, einen Moment lang hatte mich dort, zwischen den anderen Familien, unter dem Eindruck des Schabbat, Schwäche gepackt, aber hier, zu Hause, bin ich wieder stark, und Gili hört auf zu weinen und schläft endlich ein. Wie ein junges Mädchen, das allein zu Hause geblieben ist, feiere ich meine plötzliche Freiheit, kein Mensch wendet sich an mich, spricht mich an, niemand braucht mich, niemand beobachtet genau, was ich tue, meine Anwesenheit weckt keine Unruhe im Herzen eines anderen, und ich warne mich selbst, lass dich ja nicht dazu verführen, den Lügen der Familien zu glauben, erschrecke auch nicht mehr vor wütenden Prophezeiungen, wie leicht und angenehm ist diese häusliche Freiheit, mir kommt die Wohnung wie ein warmer duftender Orangenhain vor, voller bescheidener Wildblumen, und diesmal werde ich nicht zurückgehen, auch wenn ich die flehenden Stimmen meiner Eltern höre, die nach mir suchen, diesmal werde ich nicht zurückgehen.
Ich liege zufrieden auf dem Sofa, erschöpft wie nach einem langen Marsch, der mit einer Steigung endete, und lausche der Stille, die von der Straße heraufdringt, man kann fast hören, wie die Blätter von den Zweigen fallen und langsam auf den Gehweg hinuntertrudeln, ich höre Gili im Schlaf murmeln, lausche den abgerissenen Melodien der Psalmen, die in meinem Kopf nachhallen, Friede mit Euch, dienende Engel, und manchmal ist das Klingeln des Telefons zu hören, das Piepsen des Anrufbeantworters, der eine Nachricht auf die andere häuft, Nachrichten, die mit beunruhigten Stimmen von Amnons nächtlichen Irrfahrten erzählen. Ich höre sie mir widerwillig an, nein, ich bin nicht da, ich stehe euch nicht zur
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