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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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verkünden, zwischen meinem Weg und ihrem, einen Wettkampf, der heute Abend beginnt, schließlich hat dieses Jahr erst angefangen, wir werden uns alle hier wiedertreffen, an Chanukka, an Pessach, an Purim und an Schawu’ot, dann werden wir sehen, wo ich stehe und wo ihr, und inzwischen bemerke ich, dass die ermüdende Zeremonie zu Ende ist und die Erfrischungen serviert werden, die Kinder gehen wie kleine Kellner zwischen uns herum, verteilen Stücke von mehligen Wassermelonen, die vom Sommer übrig geblieben sind, süße, mit Rosinen bestreute Weißbrotzöpfe, und eine der Frauen steht auf, rank und schlank und geschmeidig, in engen Jeans und einem weißen T-Shirt und mit langen glatten Haaren und einem wunderschönen Baby auf dem Arm, und sagt verlegen, aber begeistert, hört zu, heute Abend machen wir ein Fest, jeder, der kommen will, ist eingeladen.
    Aus welchem Anlass gebt ihr das Fest, fragt einer, und sie schaut ihren Mann an und lächelt, als teile sie ein Geheimnis mit ihm, eine leichte Röte steigt ihr in die Wangen, einfach so, sagt sie, wir haben Lust zu feiern, und dann nennt sie ihre Adresse, es wird viel Wein geben und gute Musik, es wird sich lohnen, und ihr Mann stellt sich neben sie, auch er jung und gut aussehend, legt ihr den Arm um die Schultern und erklärt allen Interessierten den Weg, und schon bildet sich eine fröhliche Versammlung um sie, ja, natürlich werden wir kommen, warum nicht, wenn wir jemanden für die Kinder finden, sollen wir etwas mitbringen, ich habe einen wunderbaren Kuchen, was hast du gesagt, wo man abbiegen muss, in die erste Straße nach dem Platz, rechts oder links, und ich wende den Blick von ihnen ab und betrachte die kleinen Flämmchen der Schabbatkerzen, die im Abendwind flackern, wie vom Alter oder von einer Krankheit gelb gewordene Augen.
    Friede mit Euch, dienende Engel, Engel des Höchsten …, summen sie mit einem Mund voller Challa vor sich hin, Euer Kommen sei zum Frieden, Engel des Friedens, Engel des Höchsten …, und schon schütteln sie ihre Decken aus und legen sie zusammen, manche sorgfältig, manche unordentlich, sie sammeln ihre Rucksäcke, ihre Kinder, ihre Hunde und ihre Kinderwagen ein und verstreuen sich hastig, wie Wolken, die der Wind auseinander treibt, sie setzen sich in ihre Autos oder laufen leichtfüßig zu ihren Häusern, zu ihrem Schabbatessen, zu ihren Gewohnheiten, manche werden bei den Großeltern essen, andere bei Freunden, wieder andere laden zu sich ein, und ihre Kinder, Gilis zukünftige Freunde, werden begeistert den Tisch decken und die hektischen Vorbereitungen genießen, während wir uns in der Dämmerung langsam vorwärts bewegen, zu unserem ersten getrennten Schabbat, zu unserem neuen getrennten Leben, und ich weiß, dass es schon bald selbstverständlich sein wird, und das, was sich nicht von selbst versteht, wird unsere gemeinsame Vergangenheit sein, und Gili wird sich schon kaum mehr erinnern, wie das war, als wir eine wirkliche Familie waren. In nur zehn Jahren werden wir länger getrennt sein, als wir zusammen waren, aber schon viel früher wird diese gemeinsame Zeit zu einem Märchen werden, es war einmal, da hatten wir eine einzige Wohnung, einen einzigen Kühlschrank, einen einzigen Esstisch, und wir sind immer ganz selbstverständlich nach Hause gegangen, ohne zu planen, mit wem geht er jetzt, mit dir oder mit mir, und bei wem wird er morgen sein.
    Auf einen Stock gestützt, den ich unterwegs gefunden habe, bewege ich mich langsam, so werde ich gehen, wenn ich alt und ohne Zukunft sein werde, und ich werde nur den Schatz haben, der mir jetzt fehlt, den Schatz des Wissens, vom Gipfel des Ruinenhügels werde ich auf diese Tage hinunterblicken, und dann werde ich wissen, ob das alles notwendig oder nur Luxus war. Gili und Amnon entfernen sich immer weiter von mir, und ich schaue ihnen nach, während ich ihnen wie zufällig folge, ein groß gewachsener Vater mit seinem Sohn auf den Schultern, und neben ihnen geht keine Mutter, vielleicht wartet sie ja zu Hause auf sie, kocht das Abendessen, und bald wird sie sie mit einem Kuss empfangen, oder sie ist ihnen auf grausame Art entrissen worden, durch einen tödlichen Verkehrsunfall oder durch eine unheilbare Krankheit, oder sie hat sie aus freien Stücken verlassen, um ein neues Leben anzufangen, um gegen die Gesetze der Natur wieder ein junges Mädchen zu sein.
    Papa, warten wir auf Mama, höre ich Gili sagen und sehe, wie Amnon unwillig stehen bleibt, sein Gesicht

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