Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
erschreckend ist der Abschied von der Einsamkeit, wie aufregend, von einem Ende der Welt zum anderen hört man ihre Stimme.
Lange legt er sein Ohr wie ein Hörrohr auf meinen Oberschenkel, seine Hand gleitet über meine Haut, ich hoffe, du hast Geduld, flüstert er schließlich, als sich eine fühlbare Stille über das Zimmer senkt, ich habe nicht vor, heute Nacht mit dir zu schlafen, und bevor ich fragen kann, warum nicht, sagt er, das passt jetzt nicht, wir sind nicht allein, das ist seine Art, mich an den Jungen zu erinnern, der auf der anderen Seite der Wand vergessen worden ist, er hat keinen Anteil an unserer Liebe, an unserer Lust, mit seiner wachsenden Wut, die ihn selbst im Schlaf überfällt.
Wann bist du allein, fragt er, und ich sage, am Wochenende, wie vielversprechend dieses Wort klingt, Wochenende, aber wie weit ist es noch entfernt, und der Weg dorthin ist beschwerlich, wer weiß, ob er nicht meine Kräfte übersteigt, er ist noch angezogen und riecht nach Waschpulver, als würden seine Sachen noch immer zu Hause gewaschen, zusammen mit denen seiner Kinder, denn der gleiche Geruch entströmt Jotams Kleidung, ich versuche, sein Hemd aufzuknöpfen, er weicht kurz zurück, doch dann lässt er zu, dass ich seine schmale Brust entblöße, und sogar beim schwachen Licht des Computers erkenne ich eine große Narbe, die sie in der Mitte teilt, in ihrer ganzen Länge. Was ist das, frage ich, und er weicht mir aus, lass, das ist jetzt nicht wichtig, und ich gebe nicht auf, fahre mit dem Finger über die gespannte Haut und frage noch einmal, was ist das, und er sagt, mein Vater hat versucht, mich zu liquidieren, als ich klein war, ich erinnere mich kaum daran, und ich betrachte ängstlich die Narbe, wie hat er das gemacht, mit einem Messer? Er nimmt meine Hand weg, was spielt das für eine Rolle, mein Vater hat es mit einem Messer getan, deiner mit Worten, die Hauptsache ist doch, dass wir es nicht mit unseren Kindern tun, und ich denke an sie, an unsere drei Kinder, als würden sie alle drei im Zimmer nebenan schlafen, das hellhaarige Mädchen, das auf seinen Knien saß, stolz wie eine Prinzessin, und daneben zwei Jungen, ich überlege, ob wir das, auf unsere Art, nicht schon getan haben.
Sein Körper, der sich immer mehr entblößt, ist erstaunlich dunkel, im Gegensatz zu seinem Gesicht, als ob alles, was im Lauf eines Tages zu ihm gesagt wird, ihn blass werden lässt, und ich betrachte seine magere, beschädigte Brust, das im Vergleich zu den Schultern große Gesicht, das Missverhältnis zwischen Kopf und Körper, das mir eine seltsame Erleichterung verschafft, seine Hände liegen auf meiner Brust, mit einer Bewegung werden sie mich wiedererwecken, und diese Gewissheit reicht, das Feuer im Zentrum meines Körpers zu bewahren, er hat noch immer seine Hose an, wer weiß, welche Narben sich da verbergen. Plötzlich streckt er sich neben mir auf dem Rücken aus und schließt die Augen, wie von einer großen Müdigkeit überwältigt, so liegt er da, mit entblößter Brust. Seine Worte besitzen eine ungeheure Kraft, aber wenn er mit seinem hypnotischen Sprechen aufhört, ist er ein Mensch wie jeder andere, sein Gesicht entspannt sich, und ich zähle mir seine Mängel auf, als wäre das der einzige Weg, meinen eigenen Wert zu fühlen, ich schreibe ihm Fehler zu, um mich sicher zu fühlen, wie zum Beispiel das scharfe Schnarchen, das aus seiner Kehle kommt, durch seine geöffneten Lippen, die meine geküsst haben, und ich betrachte ihn enttäuscht, er ist genau wie Amnon, wie alle Männer, die sofort einschlafen, während die Frauen, einer alten Wunde ausgeliefert, sich im Bett herumwerfen, und obwohl ich vor der Macht der Feindseligkeit gegen einen Mann, der mir nur Gutes getan hat, zurückschrecke, fällt es mir schwer, das bittere Sprudeln versiegen zu lassen.
Ja, in dem Moment, in dem er einschläft, erwacht die Fremdheit wieder, begleitet von Misstrauen, ein fremder Mann liegt in deinem Bett, in dem Bett, in das dein Sohn am Morgen kommen wird, und wieder höre ich Gilis Stimme, ich hasse Jotams Papa, ich hasse Jotams Papa, hat er nicht im Schlaf gesprochen, hat er mich gerufen, ich stehe auf, laufe zur Tür, aber sie ist ja schon seit ein paar Stunden abgeschlossen, ich muss jetzt den Schlüssel umdrehen, eine denkbar einfache Handlung, ich halte den Schlüssel fest und versuche ihn zu drehen, aber er klemmt fest, ich versuche es noch einmal, und wieder klappt es nicht, nach einer halben Drehung verhakt der
Weitere Kostenlose Bücher