Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
bete nur im Stillen, dass ich keinen Schaden angerichtet habe, und als er zurückkommt, schaut er mich mit einem Lächeln an, ich habe dich erschreckt, nicht wahr, und als ich mit einem entschuldigenden Nicken antworte, sagt er, du hast mich auch erschreckt, bitte sag solche Sachen nie wieder, wenn du sie nicht meinst, und ich nicke gehorsam, und trotzdem wundere ich mich, woher diese Ungeduld gegenüber den Schwankungen der Seele kommt, ausgerechnet bei ihm, ich schaue ihm erstaunt zu, wie er sich die Hände unter dem Wasserhahn in der Küche wäscht, wie er jeden einzelnen Finger einseift. Möchtest du, dass ich hier bleibe, bist du ganz sicher, will er noch einmal wissen, und ich sage, ja, ich bin sicher, und er sagt, dann komm ins Bett, ja? Er trocknet sich langsam die Hände am Küchenhandtuch ab, seine Lippen sind feucht, seine Nasenflügel weiten sich ein bisschen, er fragt, ist es heute Nacht in Ordnung, wacht der Junge nicht auf? Der Junge, sagt er, als erinnere er sich nicht mehr an seinen Namen, und ich sage, nicht um diese Uhrzeit, ich ziehe ihn durch den Flur zum Schlafzimmer, wir kommen am stillen Kinderzimmer vorbei, wo zart drei Nachtlichter leuchten, wie drei Sterne am Himmel, und ich werfe einen Blick auf das Gesicht, das noch immer einen wütenden Ausdruck hat, als würde ihm wieder und wieder der Stock weggenommen, den er doch gefunden hat.
Vielleicht sollten wir abschließen, schlägt er vor, und ich betrachte misstrauisch den Schlüssel, wir haben ihn nie benutzt, Amnon und ich, wir haben uns immer darauf verlassen, dass die Dunkelheit uns verbirgt, und auf seine Stimme, die seinen Schritten vorauseilen würde, aber jetzt wäre die Peinlichkeit größer, also schließe ich die Schlafzimmertür zu, der Schlüssel dreht sich schwer und lautlos im Schloss, und einen Moment lang habe ich Angst, dass sie sich vielleicht nicht mehr aufschließen lässt, aber schon versinkt die Angst im zitternden Meer der Begierde, in der Erregung der Glieder, die darauf warten, geliebt zu werden. Der Computer wirft sein fahles bläuliches Licht ins Schlafzimmer, hier, wo fast sieben Jahre lang zwei Menschen schliefen, Tausende von Nächten, aber diese Menschen scheinen mir so fremd zu sein, wie sie es für meinen Gast sind, ein unbekanntes Paar, Amnon und Ella, ist gerade in offensichtlicher Panik ausgezogen und hat Möbel, Geschirr, Kleidung, Bilder und sogar einen Sohn zurückgelassen, einen Jungen aus Fleisch und Blut, der in seinem Zimmer schläft und nicht merkt, dass die Bewohner gewechselt haben, und wenn er aufwacht, wird er erschrocken in meine Arme fliehen, als wäre ich seine richtige Mutter, obwohl ich ihr völlig fremd bin, dieser Frau, die hier Nacht um Nacht in diesem Bett geschlafen hat, fast sieben Jahre lang, und ich bin ihr dankbar, dass sie mir ihr bequemes Bett hinterlassen hat, das geräumige Zimmer, den Computer, vor dem jetzt ein Mann sitzt, von dessen Kuss meine Lippen brennen, dessen Lippen von meinen Küssen brennen und der fragt, darf man das lesen?
Unterägypten weint, o Wehklage, alles ist vernichtet, was man gestern noch sah, die Erde ist leer wie nach der Flachsernte, die Herzen aller Tiere weinen, die Rinder stöhnen, die Königssöhne werden auf die Straße geschickt, liest er mit Staunen in der Stimme, ich dachte, du bist Archäologin, hast du das geschrieben? Und ich sage, das ist ein Papyrustext, den man in Ägypten gefunden hat, ein ägyptischer Weiser namens Ipuwer hat ihn geschrieben, es ist nicht klar, ob er die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft beschreibt. Wann hat er gelebt, will er wissen, und ich sage, wie bei allem in der Archäologie gibt es darüber unterschiedliche Ansichten, ich versuche zu beweisen, dass es eine Verbindung gibt zwischen den Ereignissen, die er beschreibt, und den Plagen Ägyptens, aber die meisten Forscher glauben, dass es die ägyptischen Plagen nie gegeben hat, dass sie nur eine literarische Erfindung sind.
Spielt das überhaupt eine Rolle, ob sie wahr sind, sagt er, bei meiner Arbeit ist es fast egal, ob eine Geschichte, die mir jemand erzählt, wahr oder erfunden ist, für ihn, der sie erzählt, ist sie wahr, und ich sage, bei uns versucht man sozusagen zu einer objektiven Wahrheit zu gelangen, aber in vielen Fällen bleibt die Grenze verschwommen, ich versuche vermutlich etwas zu beweisen, was nicht zu beweisen ist, und er sagt, weißt du, dass Freud die Seele mit einer archäologischen Ausgrabungsstätte verglichen hat, er sah
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